Galaxis Science Fiction Bd. 06
verlassenen Gänge der Wohnhöhle – ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Die Stadt – es gab nur noch eine.
Dieser Teil der Höhle war noch zu Wendas Zeiten aufgegeben worden. Die Ältesten hatten das Gebiet abgeschritten, die Zahl der Bewohner gegen die von ihnen verbrauchte Energie abgewogen und dann beschlossen, diesen Bezirk zu verdunkeln. Seine Bewohner – es waren sowieso nicht mehr sehr viel – wurden näher dem Stadtkern angesiedelt, und die Quote für die nächste Beschickung der Brutkammern wurde auf die Hälfte verringert.
Wenda fand, daß Rois Mitteilungsebene nur um ein weniges unter der Oberfläche lag, so, als hätte er den größten Teil seiner Gedanken tief nach innen gezogen.
Sie schickte ihm ihre Frage: »Fürchtest du dich?«
»Weil ich mich hierher geflüchtet habe, um mich zu sammeln?« Er zögerte ein wenig und gab dann zu: »Ja, ich fürchte mich. Es ist die letzte Chance, die unsere Rasse hat. Wenn sie vergeudet wird –«
»Fürchtest du dich nicht für dich selbst?«
Er blickte sie erstaunt an, und Wendas Gedanken flatterten beschämt über diese Taktlosigkeit.
Sie sagte: »Ich wünschte, ich könnte an deiner Stelle gehen.«
»Meinst du, du könntest es besser machen?«
»O nein! Aber wenn ich versagen und niemals wieder zurückkehren würde – es wäre kein so großer Verlust für die Rasse.« »Der Verlust wäre der gleiche«, sagte er erneut, »ob es nun dich trifft oder mich. Nicht nur wir, die ganze Rasse würde ihr Leben verlieren. Ein Fehlschlag bedeutet den Tod unseres Volkes.«
Das Leben der Rasse lag ihr im Augenblick nicht so sehr am Herzen wie ein anderes Leben.
Sie seufzte. »Die Reise ist so lang.«
»Wie lang?« fragte er lächelnd. »Weißt du es denn?«
Sie zögerte mit ihrer Antwort. Gerade vor ihm wollte sie nicht dumm erscheinen.
Sie sagte etwas gezwungen: »Allgemein heißt es, sie ginge bis zur ersten Stufe.«
Als Wenda noch klein gewesen war und die unterirdischen Gänge sich noch viel weiter in die Umgebung der Stadt hinaus erstreckt hatten, war sie – wie Kinder es tun – immer wieder einmal auf Erkundungsfahrt ausgezogen. Eines Tages – sie hatte sich weit von der Stadt entfernt und war in ein Gebiet gekommen, wo bereits die frostige Kühle der Luft in ihre Haut biß – hatte sie eine weite Halle betreten, an deren einem Ende ein Gang steil nach oben führte, der aber nach wenigen Metern durch einen riesigen Pfropfen versperrt war. Auf der andern Seite und noch weiter oben – so hatte sie später erfahren – lag die neunundsiebzigste Stufe und darüber die achtundsiebzigste und so weiter.
»Ich gehe noch über die erste Stufe hinaus, Wenda.«
»Aber jenseits der ersten Stufe befindet sich doch nichts mehr!«
»Du hast recht. Nichts. Die feste Masse des Planeten hört dort auf.«
»Aber wie kann es etwas geben, das nichts ist. Du meinst Luft?«
»Nein, ich meine – nichts. Das Vakuum. Du weißt, was ein Vakuum ist, nicht wahr?«
»Ja. Aber ein Vakuum muß man erst pumpen und dann gegen die Luft abdichten.«
»Für eine Arbeiterin zeugt das von guter Überlegungskraft. Trotzdem – jenseits der ersten Stufe erstreckt sich ein unbegrenztes Vakuum in alle Richtungen um den Planeten.«
Wenda dachte nach. Dann sagte sie: »Ist schon einmal jemand dort gewesen?«
»Natürlich nicht. Keiner von uns. Aber wir haben die alten Berichte, die uns überliefert worden sind.«
»Vielleicht sind sie falsch?«
»Unmöglich. Weißt du, welche Entfernung ich zurücklegen muß?«
Wendas Gedankenstrom zeigte ein betontes Nein.
Roi sagte: »Du kennst die Geschwindigkeit, die das Licht hat, nehme ich an?«
»Natürlich«, antwortete sie eifrig. Das war eine universelle Konstante, die sogar schon die Kinder kannten. » Eintausendneunhundertundvierundfünfzig Mal die Länge der Höhle hin und zurück in einer Sekunde.«
»Richtig«, sagte Roi. »Aber wenn das Licht entlang der Strecke reisen würde, die ich zurücklegen werde, dann würde es dazu zehn Jahre brauchen.«
Wenda sagte: »Du willst dich über mich lustig machen. Du willst mir Angst einjagen.«
»Warum sollte ich dir Angst einjagen wollen?« Er erhob sich. »Ich muß gehen. Ich habe hier lange genug meine Zeit vertrödelt –«
Einen Augenblick ruhte eines seiner sechs Greifglieder leicht in einem der ihren.
Es war eine Geste leidenschaftsloser unpersönlicher Freundschaft. Wenda spürte ein plötzliches unvernünftiges Verlangen, das sie zwingen wollte, seine Hand fester
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