Galaxy Tunes®: Roman (German Edition)
drehte er sich zu mir um. »Nordvietnam?« Er schüttelte verächtlich den Kopf. »Sehr, sehr böse.« Er hörte wieder eine Weile zu, dann schimpfte er auf Breschnew. Anscheinend blätterte jemand am anderen Ende der Leitung in einem alten Geschichtsbuch und machte Vorschläge, wie er seine Loyalität gegenüber den Geheimagenten in seinem Taxi beweisen konnte.
Nachdem ich mir leidenschaftliche Verdammungen von Kaiser Wilhelm, den mexikanischen Truppen bei Alamo und König George III. angehört hatte, holte ich ein Foto von Pugwash auf das Display meines Handys und zeigte es Manda. »Das ist übrigens mein Cousin.«
»Ohhhhh. Er ist also der Kerl, den ich sozusagen hasse, richtig?«
Ich nickte. Vor mehreren Wochen hatte Pugwash den Service von Phluttr genutzt, um mich in einen Hinterhalt zu locken, während Manda und ich miteinander ausgegangen waren. Ich war glücklich, dass ich Manda wenigstens einmal im Monat für mich allein hatte, und genoss den Abend – als plötzlich Pugwash auf einen Hocker rutschte, der wundersamerweise genau neben ihr frei geworden war, nachdem ich eine Stunde lang hatte stehen müssen, während ich mich fragte, wie mein Knie jemals beiläufig Mandas streifen sollte, wenn sie saß und ich nicht. Wie sich herausstellte, ließ sich Pugwash von Phluttr twittern, wenn FourSquare einen seiner Facebook-Freunde im Umkreis von acht Blocks markierte, und zwar in einer von Zagat bewerteten Bar, die mindestens drei Sterne auf Yelp hatte und während der vergangenen Stunde nicht von anderen Phluttr’rs 51 mit dem Tag »lange Schlange vor der Tür« versehen worden war – und ich hatte den Alarm ausgelöst.
Nach einer unbehaglichen Vorstellungsrunde wechselte das Gespräch prompt zum Thema Phluttr, und Manda beschrieb den Dienst als krankhaft (und schlimmer), weil »das Ganze nicht mehr ist als ein Haufen aus benutztem Kaugummi, mit dem andere Dienste zusammengepappt wurden«. Pugwash erwiderte, dass es damit zu einem Mashup wurde – einer viel höheren Form der Kreativität als all die simplen Dienste, die »eine Stufe tiefer stehen«. Darauf ließ er ein paar konfuse Gedanken über die Arbeit von Mashup- DJ s wie Girl Tank und Danger Mouse folgen. Manda konnte einiges dazu sagen, da sie schließlich eine von den Kritikern gefeierte Musikerin war. Pugwash wies ihre Einwände kategorisch zurück und erklärte, dass die sozialen Medien und das »semantische Web« moderne Musik »reanimieren«, indem sie sie »reimaginieren« und »reinstrumentalisieren«.
Manda erwiderte, dass die sozialen Medien zu einer Krebsgeschwulst würden, wobei das Paradebeispiel GawkStalker.com sei – eine Seite, auf der Horden von Möchtegernpaparazzi Handyfotos veröffentlichten, die sie heimlich selbst von den unbedeutendsten Stars schießen, einschließlich einiger Hundert Bilder von ihr. Pugwash erwähnte, dass er einer der Investoren von GawkStalker war. Manda sagte, er solle überlegen, ob er das Konzept an die Gedankenpolizei in Pjöngjang verkaufen könnte. Pugwash kritisierte ihre Aussprache von Pjöngjang und betete es ihr ganz langsam vor, wobei er wie ein Weißer klang, der einen Ägypter spielte, der Koreanisch zu sprechen versuchte. Und so weiter. Seitdem hatte ich die beiden daran gehindert, sich noch einmal über den Weg zu laufen. Aber heute Abend ließ es sich nicht vermeiden.
Oder? Als ich die Taxitür öffnete, hörte ich ein lautes Krachen vom obersten Stockwerk des nächsten Gebäudes. Ich sprang nach draußen, blickte nach oben und sah etwas Großes und Pugwashförmiges, das immer schneller dem Boden entgegenflog. Es landete mit einem unangenehmen Rumms in etwa drei Metern Entfernung. Es war die übel zugerichtete, blutige Leiche meines Cousins.
51 Der Service besteht in seinem unnachahmlichen Fingernägel-auf-Schiefertafel-Stil darauf, seine User so zu nennen.
16
Pauuuuulie
Manda stieg gerade auf der anderen Seite des Taxis aus, als Pugwash auf den Boden knallte, und sah nichts davon. Der Fahrer denunzierte soeben das Volk der Algonkin (anscheinend kämpften sie in den Franzosen- und Indianerkriegen gegen uns) und schaute mich dabei an, sodass er alles sah. Nachdem er bereits kräftig verunsichert war, gab ihm das den Rest, und er fuhr sofort los – und ersparte uns eine happige Rechnung von $ 13,40 (plus Trinkgeld).
Als das Taxi beschleunigte, vollführte Miauhaus einen wilden Sprung durch Mandas Tür auf die klitschnasse Straße. Dort hielten ihn weder Regen noch Schnee noch Leichen
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