Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Nebenwirkungen und ein wenig dauerhaftes Ergebnis. Veruca Salt hatte so etwas nicht nötig. All das Wissen wanderte auf direktem Wege in ihre Datenbanken, wo es augenblicklich zur Verfügung stand. Da wurden Verbindungen geknüpft und Querverweise angelegt, und unablässig strömte neues Faktenwissen herein. Als Ja‘ana K‘jonasoidt Hakon T‘Arastoydt aufhörte, sich durch die Datenmassen der Weltenkreuzer-Technologie zu wühlen, hätte sie jeden menschlichen Ingenieur und Konstrukteur an die Wand reden können. Und gleichsam mit roten Sternen versehen, schlummerten Widersprüche und Ungereimtheiten in ihrer Datenbank – Dinge, die vielleicht übersehen worden waren. Konflikte, die man ausräumen sollte. In Janas Daten waren diese Defekte wie juckende Stellen, die sich immer wieder von selbst in Erinnerung brachten. Das Auftauchen von Angehörigen der Goldenen Bruderschaft gehörte dazu.
Sie dachte an die feisten rosafarbenen Leiber der Goldenen, die sie zwischen den Leibwächtern gesehen hatte, nur kurz. Unbegreifliche Besucher. Es gab nichts, was solche Leute auf einer Werft wie Die Neue Wohlfahrt zu erledigen hatten.
Die Schwerkraft verringerte sich und verschwand. Kaddok brachte sich wieder in Erinnerung, nachdem die Kontrollen aller seiner Leute im grünen Bereich waren. Das dauerte lang, und er hütete sich, bei solchen Sicherheitsritualen irgendwelchen Zeitdruck zu machen. Zwar war Kaddok ein Karnese und als solcher reichlich einschüchternd, dennoch vermied er strikt den Eindruck, er treibe seine Kreuzerleute über Gebühr an. Es waren viel zu viele Unfälle passiert auf den Baustellen im Nichts; allzu viel Druck auf Werftleute war von Übel. Zu leicht konnte jemand auf die Idee kommen, seiner Leistungsfähigkeit mit Mittelchen auf die Sprünge zu helfen. Die meisten dieser Mittelchen waren verboten, aus guten Gründen. Man redete nicht gern darüber, aber bei besoffenen Gesprächen in den Werft-Spelunken hatte Veruca Salt mehr mitbekommen, als ihr lieb sein konnte. Aufgeputschte Kreuzerleute zum Beispiel, denen das Gehirn aus der Nase tropfte. Das Gedächtnis der Galdani war zu gut, um absichtlich vergessen zu können. Ihr Wissen um diese Dinge war zu gut, als dass sie sich nicht hätte ausmalen können, was mit all den Andeutungen gemeint war. Ihre Phantasie war zu ausgeprägt, als dass sie nicht den einen oder anderen Alptraum gehabt hätte. Sie wusste, dass gewisse Substanzen auf den Werften täglich zum Einsatz kamen. Und sie wusste, dass seltsame Kulte und schierer Aberglaube nichts Ungewöhnliches waren. Erst vor einigen Tagen hatte sie miterlebt, wie jemand allen Ernstes behauptete, die viele Kilometer umfassenden goldenen Raumschiffe aus den übelsten Geschichten der Raumbars gäbe es wirklich. Er kenne jemanden, der eines gesehen habe. Unglaublich.
»Los geht’s«, sagte Kaddok, und seine Stimme schepperte im Lautsprecher. Irgendwie klangen Karnesen immer zu laut, ganz egal, ob sie direkt neben einem standen oder über Funk kommunizierten. Die breite Luke glitt auf, und die Kreuzerleute schwangen sich hinaus. Jeder kannte seine Aufgabe und sein Ziel. Wie Samen, die sich aus einer geplatzten Hülse verstreuen, schwärmten die Leute in den Raumanzügen aus. Sie sahen alle gleich aus. Größenunterschiede spielten keine Rolle. Die Hautfarbe war im All ohne Bedeutung. Die meisten trugen sowieso nicht ihren natürlichen Teint, sondern hatten sich die Epidermis gefärbt. Wer im freien Weltraum unter unzureichenden Sicherheitsbedingungen arbeitete, musste jene Strahlen vom Körperinneren fernhalten, die die billigen Raumanzüge durchdrangen, als wären sie aus Papier. Jana war zusammengezuckt, als sie die erste blauschwarze Haut zu Gesicht bekommen hatte. Sie hatte kein Bedürfnis, Mikko und Ari wiederzubegegnen. Aber es war ein völlig Fremder gewesen.
Die dahintreibenden Arbeiter boten ein täuschend friedliches Bild vor dem Hintergrund der stillen Sterne. Manche von ihnen flimmerten und bewegten sich; das waren keine Sterne, sondern Positionsleuchten und die Feuer von Schweißarbeiten. Weit weg zogen kunterbunte Blüten dahin, spreizten sonderbare Formen von ihren Körpern ab. Das waren die Raumfahrzeuge von Die Neue Wohlfahrt , über und über bestückt mit Sensoren und Maschinen. Solche skurrilen Orchideen erledigten viele Arbeiten, die ohne menschliche Gegenwart nicht möglich waren. Die meisten sahen tatsächlich aus wie Blumen, die ein Windstoß halb zerrissen hatte. Hinter den farbigen
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