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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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waren, erklärte das mäßige Tempo der Arbeiten. Der Wettbewerb der Werften war hart; die Personaldecke knapp. Veruca Salt schoss in halsbrecherischem Tempo in die Finsternis, einige Dutzend Meter hinter Kaddoks massiger Gestalt. Im Helmvisier tanzten die Linien der Kursanzeige durch ihr Blickfeld, um nach wenigen Minuten von den aufflammenden Lampen des embryonalen Weltenkreuzers überstrahlt zu werden, der den eintreffenden Arbeitern das Licht einschaltete. Es war vollkommen unnötig, die Baustelle immer auszuleuchten. Die Maschinen, die den Löwenanteil der Arbeit erledigten, brauchten kein Licht dafür. Sie orientierten sich mit nanosekundenkurzen Laserimpulsen, und jede einzelne Maschine, die in dem riesenhaften Skelett umherwimmelte, wusste bis auf den Bruchteil eines Millimeters, wo sie und die anderen Maschinen und jedes einzelne Teil des neuen Schiffs sich befanden. Wenn immer alles nach Vorschrift liefe, wäre die Baustelle für Jahre menschenleer. Man würde die Maschinen zusammen mit den Teilen im All aussetzen und später einen fertigen Weltenkreuzer an dieser Stelle vorfinden. Aber es lief eben nicht nach Vorschrift. Das tat es nie.
    »Du bist heute zum ersten Mal bei einer Theta-Mission«, sagte Kaddok mit seiner donnernden Stimme.
    »Ja«, sagte Veruca Salt. »Ist irgendetwas Besonderes daran?«
    Kaddok schnaubte kurz in sein Helmmikrofon. Es klang tierisch und geringschätzig. Das Licht von der Baustelle ließ die Silhouette des Mannes erglänzen; von hier aus gesehen wirkte er normal gebaut. Vielleicht ein bisschen breit. Jana wusste, dass der Kerl zweieinhalb Meter groß und knapp sechs Zentner schwer war. Der an klirrende Kälte gewöhnte Körper eines Karnesen war immer bestrebt, Fett anzusetzen – selbst wenn er es sich unter den Bedingungen einer für Normalmenschen eingerichteten Umgebung gar nicht leisten konnte.
    »Ich habe von Theta-Missionen munkeln gehört«, gab Veruca Salt zu. »Was genau damit gemeint ist, habe ich nicht herausbekommen.«
    Die Konturen von Kaddoks Raumanzug waren so scharf sichtbar, dass er wie aus Stein gehauen wirkte. Jana Hakon hatte die Sensibilität ihrer Augen reduziert; mehr als einige Sekunden konnte sie soviel ungefilterte Helligkeit nicht ertragen. Die Flammen aus den Düsen, die Kaddok in genau dem richtigen Augenblick zündete, wirkten undeutlich und harmlos. Aber das waren sie nicht. Jana hatte Bilder von den Resten der Leute gesehen, die einander beim Hantieren mit diesem Transportmittel zu nahe gekommen waren.
    Die Navigation auf der Innenseite ihres Visiers signalisierte ihr, dass es Zeit zum Bremsen war. Jana mobilisierte sofort Ja‘ana K‘jonasoidt Hakon T‘Arastoydt und befolgte die Anweisungen. Das war die einzige Möglichkeit für sie, die brutalen Stöße der Steuerdüsen abzufangen.
    Veruca Salt und Kaddok kamen, wie es geplant gewesen war, gleichzeitig herunter. Etwa hundert Meter voneinander entfernt, setzten sie die stahlbewehrten Füße auf eine öde metallische Ebene. Die schwache Hilfsschwerkraft kehrte das Universum um; das neue Oben und Unten hatte nichts zu tun mit dem, was vor wenigen Sekunden Oben und Unten gewesen war. Allein diese Momente der Umstellung konnten einen aus der Mannschaft werfen. Niemand bei den Kreuzerleuten konnte einen Kollegen dulden, der dauernd in seinen Helm kotzte. Ja‘ana K‘jonasoidt Hakon T‘Arastoydt hatte natürlich keinerlei Schwierigkeiten mit den Reaktionen ihres Nervensystems.
    Sie stand auf einer ebenen Fläche, über der sich ein gewaltiges und unüberschaubares Gitterwerk erhob, das unvollständige Skelett eines Weltenkreuzers. Wie Fraßlöcher wirkten die mächtigen Leerstellen, in die später Segmente eingefügt werden sollten, im Auftrag auf anderen Werften nach den eigenen Plänen gebaut oder komplett zugekauft. Jana wusste, dass die scheinbar so solide Metallplatte unter ihren Füßen nur wenige Zentimeter stark war und sich von der anderen Seite derselbe Anblick bieten würde. Der Gedanke ließ sie kalt.
    Ja‘ana K‘jonasoidt Hakon T‘Arastoydt wartete jede Sekunde auf einen Anruf, der die Zahl achtundzwanzig enthielt. Hier jedoch konnte sie keine Anrufe entgegennehmen; dieses Wissen zitterte unablässig in einem Winkel ihres Bewusstseins.
    Der Platz, an dem Jana und Kaddok zu arbeiten hatten, war eine Art Schachtel, die von den Maschinen provisorisch errichtet worden war. Drinnen gab es eine dünne Atmosphäre aus schal schmeckender Luft. Kaddok und Jana behielten ihre Anzüge an.

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