Galeeren in der Ostsee
als eines der schlimmsten, die er j e erlebt hatte, bezeichnete.
Während der Nächte drehten die wild hin- und hergeworfenen Schiffe unter Sturmsegeln bei, und jeden Morgen wiederholte sich beim Hellwerden die Suche nach den über Nacht weit auseinandergetriebenen Gefährten. Wenn sie sich schließlich wieder einigermaßen formiert hatten, wurde der Nordost-Kurs wieder aufgenommen und dabei – soweit das Wetter es erlaubte – an den Geschützen exerziert und Reparaturen ausgeführt.
Im Geschwader hatte es einige Tote und Verletzte gegeben. Die Todesfälle wurden meist durch Stürze von oben verursacht, wenn die verstörten und vom überkommenden Salzwasser halbblinden Männer beim Reffen oder Segelbergen mit der wild schlagenden Leinwand kämpften oder Schäden am stehenden Gut ausbesserten.
Auf der
Benbow
hatten sich mehrere Neulinge durch Unaufmerksamkeit die Handflächen verbrannt. Auf dem dunklen Deck konnte es leicht passieren, daß man mit Armen oder Beinen in eine ausrauschende Leine geriet. Wer da mit den Händen zupacken wollte, verbrannte sich, als hätte er heißes Eisen angefaßt.
Ein Mann verschwand, ohne daß jemand etwas davon bemerkt hätte. Über Bord gespült, hatte er vielleicht noch ein paar Augenblicke im Wasser strampelnd zugesehen, wie der Zweidecker in der Finsternis verschwand… An Bord war es überall feucht und scheußlich kalt. Die einzige Wärme kam vom Kochherd in der Kombüse, aber bei dem Seegang war es unmöglich, Kleidungsstücke zu trocknen, solange das Schiff derart hin- und hergeworfen wurde.
Sobald er an Deck kam, spürte Bolitho die schlechte Stimmung fast physisch. Er kannte Herrick gut genug, um zu wissen, daß er nichts weiter tun konnte, um die Leiden seiner Leute zu mildern.
Manche Kommandanten hätten sich gar nicht darum gekümmert, sondern ihren Bootsmannsmaaten befohlen, auch den letzten Mann zum Dienst zu prügeln. Nicht so Herrick. Seit seiner Leutnantszeit war er immer bemüht gewesen, zu führen, anstatt anzutreiben, seine Leute zu verstehen, anstatt sie in Furcht vor seiner Befehlsgewalt zu halten.
Trotzdem war es nötig gewesen, daß drei Leute ausgepeitscht wurden, nachdem Herrick die entsprechenden Kriegsartikel verlesen hatte, während das Schiff sich durch Wellentäler und gegen überkommende Brecher nordwärts vorkämpfte.
Bolitho war der Bestrafung ferngeblieben. Sogar das zählte nicht mehr zu seinen Angelegenheiten. Er marschierte in seiner Kajüte auf und ab und hörte dabei das gleichmäßige Klatschen der »Neunschwänzigen« auf nacktem Rücken, begleitet vom dumpfen Trommelschlag des Spielmanns, der zur Prozedur dazugehörte.
Aber dann, ganz plötzlich, flaute der Wind leicht ab, und kleine blaue Flecken tauchten zwischen den Wolkenbergen auf.
Seeleute und Soldaten hielten inne, um nach oben zu schauen und tief Luft zu holen. Warmes Essen wurde durch die Decks getragen, als hätten sie eine kurze Gefechtspause oder als wolle der Smutje es nicht glauben, daß er seine Kombüse längere Zeit benutzen konnte.
Bolitho ging kurz vor Mittag an Deck und spürte den Unterschied. Die Midshipmen zeigten angemessen ausdruckslose Gesichter, als der Master und seine Steuermannsmaate ihre Bemühungen überwachten, mit Hilfe des Sextanten die Mittagsbreite zu bestimmen. Die Männer hoch oben über Deck klammerten sich nicht mehr so krampfhaft an bebende Stengen oder Wanten, sondern bewegten sich bei ihren verschiedenen Arbeiten leicht und sicher. Der Erste Offizier führte eine kleine Prozession von Fachleuten an, die den Backbord-Laufgang herunterkamen und nach allem schauten, was eine Reparatur, einen Schlag Farbe oder einen Spleiß benötigte. In seinem Gefolge befanden sich Drodge, der Stückmeister, Big Tom Swale, der fast zahnlose Oberbootsmann, Tregoye, der Schiffszimmermann, und einige ihrer Maate.
Am vorderen Niedergang stand Purvis Spreat, der Zahlmeister der
Benbow,
im vertraulichen Gespräch mit Manley, dem Fünften Offizier. Ging es um mehr Lebensmittel für die Offiziersmesse? War zuviel Madeira verbraucht worden? Irgend so etwas würde es sein.
Spreat sah wie ein typischer Zahlmeister aus, dachte Bolitho. Verschlagen, mißtrauisch, gerade ehrlich genug, um nirgendwo anzustoßen. Er hatte jeden Mann an Bord zu ernähren, zu kleiden und mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen, ungeachtet, ob das Wetter schlecht oder die Navigation mangelhaft war.
Die Seesoldaten standen in zwei scharlachroten Reihen, die – den Schiffsbewegungen
Weitere Kostenlose Bücher