Galeeren in der Ostsee
Männer und Knaben umfangen hielt. Es war fast Mittag. Der Himmel war immer noch frei von Regenwolken, aber in den unteren Decks war die Luft feucht und muffig wie im Winter. Weder von der Fregatte noch von der Korvette war bisher irgend etwas gemeldet worden, mit Ausnahme eines schnellen Schoners, der sich eilends davongemacht hatte. Ein Seeräuber, Schmuggler oder nur ein harmloser Frachter, der möglichen Schwierigkeiten aus dem Wege gehen wollte?
Bolitho sah seinen Freund an und wußte genau, was ihn bedrückte. Herrick hatte das nicht verdient, dachte er. Es war seine Idee gewesen, den Ratschlag zu mißachten, den die Brigg überbracht hatte. Sein Plan war es, ihren Platz zu wechseln, damit sie dem Feind auf offener See begegneten. Es war ungerecht, daß er nun auch noch diese neue Sorge auf der Seele hatte.
Mit sanfter Stimme fragte Bolitho: »Kann ich helfen, Thomas? Es ist diese Bestrafung, die Sie bedrückt, habe ich recht?«
Herrick starrte ihn an. »Aye, Sir. Der junge Adam war Babbage wegen bei mir. Er nimmt die Schuld auf sich und wird mich für einen blutdürstigen Tyrannen halten, wenn ich nicht eingreife.«
»Sie wissen über Babbage Bescheid?«
Herrick nickte. »Ich weiß es jetzt, Mr. Wolfe hat es mir erzählt.« Er schaute zur Decke und fügte hinzu: »Ich mache ihm natürlich keinen Vorwurf. Er hält es für seine selbstverständliche Pflicht, solche Dinge von seinem Kommandanten fernzuhalten.« Er versuchte ein Lächeln.
»Wie ich es früher auch bei Ihnen tat.«
»Das habe ich mir gedacht.«
Herrick sagte: »Ich habe den ganzen Vorfall überprüft. Der Unteroffizier hat Babbage provoziert, wahrscheinlich ohne es zu wissen. Babbage ist ein Waisenkind, was die Sache noch schlimmer macht.«
Bolitho nickte. Kein Wunder, daß sein Neffe erregt war. Er selbst war auch Waise.
»Wir sind in die Sache mit hineingezogen, Thomas.«
»Aye, Sir. Das ist das Unglück. Bei jedem anderen Mann würde ich keinen Augenblick zögern. Aber Schuld oder nicht Schuld: Ich kann nicht zulassen, daß meine Unteroffiziere niedergeschlagen und fast getötet werden. Ich hasse die Prügelstrafe, wie Sie genau wissen, Sir, aber solche Dinge können nicht geduldet werden.«
Bolitho stand auf. »Möchten Sie, daß ich an Deck komme? Meine Anwesenheit könnte beweisen, daß es nicht einfach eine Laune, sondern eine dienstliche Notwendigkeit ist.«
Herricks blaue Augen blickten fest geradeaus. »Nein, Sir, dies ist mein Schiff. Wenn etwas falsch gemacht wurde, hätte ich selber es sehen müssen.«
»Was, in aller Welt, sagen Sie da?« Bolitho lächelte leicht. »Es ehrt Sie, daß Sie sich in einem Augenblick wie diesem Sorgen um einen einzelnen machen.«
Herrick ging zur Tür. »Werden Sie mit Adam sprechen, Sir?«
»Er ist mein Neffe, Thomas, und steht mir sehr nahe. Aber wie Sie mir damals sagten, als ich meinen Kommodore-Stander auf Ihrer alten
Lysander
setzte: er ist einer von Ihren Offizieren.«
Herrick seufzte. »In Zukunft werde ich es mir zweimal überlegen, bevor ich solch eine Bemerkung vom Stapel lasse.«
Die Tür schloß sich, und durch eine andere trat Yovell, der Schreiber, mit einem seiner Aktendecke l ein.
Als die Bootsmannsmaatenpfeifen durch die Decks schrillten, und die Maate »Alle Mann! Alle Mann nach achtern zu einem Strafakt« riefen, sah Yovell zum Skylight empor und murmelte: »Soll ich das Oberlicht schließen, Sir?«
»Nein!«
Sie hielten alle zusammen, wollten ihn abschirmen von einer Welt, die ihm seit seinem zwölften Lebensjahr vertraut war.
»Bereiten Sie sich auf neue Befehle für das Geschwader vor. Wir werden heute nachmittag Kurs ändern und auf unsere Station zurückkehren.«
Er hörte Herricks Stimme wie durch Watte, aber langsam und klar, wie der Mann selber.
Er merkte, daß sich seine Bauchmuskeln spannten, und wußte, daß Yovell ihn beobachtete.
Ein Trommelwirbel, und dann hörte man den ersten Schlag wie einen Pistolenschuß auf den nackten Rücken des Mannes klatschen. Bolitho sah die Szene so deutlich vor sich, als wäre er mit an Deck: die finsteren Gesichter ringsum und das Schiff, das sie immer weitertrug, während die Bestrafung fortgesetzt wurde.
Beim dritten Schlag der Peitsche hörte er Babbage schreien, wild und schrecklich wie eine Frau in Todesqual.
Ein neuer Schlag.
Yovel stammelte: »Gott sei uns gnädig, Sir, er hält es nicht aus.« Zwei Dutzend Schläge war das mindeste für Babbages Vergehen.
Viele Kommandanten hätten hundert oder noch mehr
Weitere Kostenlose Bücher