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Galeeren in der Ostsee

Galeeren in der Ostsee

Titel: Galeeren in der Ostsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Köpfe hinwegpfiffen.
    Bolitho registrierte das alles im Unterbewußtsein, aber die Wirklichkeit war stärker. Bald würde es zu dunkel sein, um den Feind zu verfolgen, wenn seine hart mitgenommenen Schiffe dazu überhaupt noch imstande waren. Ropars würde ebenfalls nicht in der Lage sein, sich erneut zu einem geordneten Kampf zu stellen. Ihm war bestimmt am meisten daran gelegen, so vollzählig wie möglich davonzukommen.
    Pascoe kam eilig die Laufbrücke entlang. In seinem Gesicht standen noch die Spuren der Überanstrengung, irgendwie wirkte es wehrlos.
    Bolitho wandte sich zu ihm um – und zuckte im selben Augenblick schmerzhaft zusammen. Irgend etwas war hart gegen seinen Oberschenkel geschlagen. Einen Augenblick glaubte er, jemand hätte ihn getreten oder ihn in der Begeisterung über ihren Sieg mit einer Muskete oder einem Spieß gestoßen. Als er dann aber den großen Blutfleck erblickte, der sich schnell über das ganze Bein ausbreitete, überfiel ihn gleichzeitig ein wilder Schmerz, als habe ihn glühend heißes Eisen gebrannt.
    Bolitho konnte nicht mehr klar denken. Er hörte sich selber aufschreien, als sein Gesicht die Decksplanken berührte, und ihm war, als fiele er in grenzenlose Tiefen, obwohl sein Körper bewegungslos auf der Laufbrücke lag.
    Dann meinte er, Herrick von weither schreien zu hören, und auch Allday, der seinen Namen rief. Pascoe war bei ihm, schaute auf ihn herab und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, bevor ihn völlige Dunkelheit umfing und ihm zeitweises Vergessen bescherte.
    Bolitho drehte den Kopf nach rechts und links, doch das einzige, was er wahrnahm, waren schreckliche Schreie, von denen er einen Augenblick glaubte, sie kämen aus seiner eigenen Kehle. Alles war dunkel, bis auf einige schwankende Lichtpunkte und verwischte Farben.
    Eine Stimme sagte dringlich: »Er ist bei Bewußtsein. Helfen Sie mir, ihn hinüberzuheben.«
    Irgend etwas Rotes verschwand über ihm, er erkannte es als Major Clintons Uniformrock. Er und einige seiner Leute mußten ihn unter Deck getragen haben. Kalter Schweiß lief ihm über die Brust. Nach unten getragen! Er war tief unten im Orlopdeck, und der Schrei kam von jemandem unter dem Messer des Chirurgen.
    Er hörte Allday, seine Stimme war kaum zu erkennen, als er sagte: »Wir sollten ihn nach achtern bringen, Herr Major.«
    Eine andere Stimme flehte in wahnsinniger Angst: »O nein, o nein! Bitte nicht!«
    Bolitho fühlte, daß sein Kopf von einer hilfreichen Hand leicht angehoben wurde. Wasser tröpfelte zwischen seine Lippen, und während er zu schlucken versuchte, bemühten sich seine Augen, die halbe Finsternis des Orlopdecks zu durchdringen. Ein Bild wie in der Unterwelt: Männer, die gegen die soliden Planken der
Benbow
lehnten. Leblose Gestalten und andere, die sich in schrecklichen Schmerzen wanden.
    Unter einer Traube von Laternen arbeitete Loveys, der Schiffsarzt, über den provisorischen Operationstisch gebeugt, seine Schürze blutbespritzt wie die eines Metzgers.
    Der Mann, der geschrien hatte, lag ausgestreckt auf dem Tisch und hatte jetzt einen Lederknebel zwischen den zusammengepreßten Zähnen, wodurch das Schreien aufgehört hatte. Er war nackt und wurde von Loveys Gehilfen energisch festgehalten. Nur seine Augen rollten wie Murmeln, als er den Arzt flehentlich anstarrte.
    Bolitho sah, daß der Arm des Mannes zerschmettert war. Eine feindliche Kugel oder ein großer Eisensplitter hatte ihn aufgeschlitzt.
    Das Messer in Loveys Hand schimmerte, als er die Scheide einen Augenblick, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam, über das weiße Fleisch oberhalb der Wunde hielt, wenige Zentimeter unterhalb der Schulter. Er nickte seinen Gesellen kurz zu, schnitt dann mit steinernem Gesicht hinein und einmal rundherum. Ein anderer Gehilfe reichte ihm eine Säge, und in wenigen Minuten war es geschafft, das abgetrennte Glied in einen bereitstehenden Eimer unter den kreisenden Laternen geworfen.
    Jemand murmelte: »Gott sei Dank, er ist ohnmächtig geworden, der arme Kerl.«
    Allday stand hinter Bolithos Kopf. »Lassen Sie sich von uns nach achtern tragen, Sir. Bitte, dies ist kein Ort für Sie!«
    Bolitho mühte sich, den Kopf zu drehen und ihn anzusehen. Er wollte ihn trösten, ihm erklären, daß er hierbleiben müsse, und sei es nur, um Anteil an den Schmerzen der Männer ringsum zu nehmen, Schmerzen, die er verursacht hatte. Doch er brachte keine Worte heraus, sah nur mit Schrecken, wie Tränen über Alldays Backen liefen.
    Kaum hörbar

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