Galgenberg: Thriller (German Edition)
blätterte in einem alten Taschenkalender.
»Das ist ihre Nummer.«
Wilma Smit krächzte ein Hallo, und Clare stellte sich vor.
»Basie Steyn hat mir Ihre Nummer gegeben«, erklärte sie. »Es gibt da einen Fall, über den ich gern mit Ihnen sprechen würde.«
»Weiß er, wie viele Fälle ich in meiner Laufbahn bearbeitet habe, Dr. Hart?«
»Es ist ein ganz spezieller Fall«, meinte Clare.
»Sagen Sie mir den Nachnamen«, verlangte die Stimme. »Dann werde ich schon sehen, ob ich mich erinnere.«
»Le Roux«, sagte Clare. »Lilith le Roux.«
Es blieb so lange still, dass Clare sich schon fragte, ob sie aufgelegt hatte.
»Kommen Sie lieber persönlich vorbei«, sagte sie, dann hörte Clare ein Klicken.
Clare stand auf. »Danke.«
»Clare.«
Sie blieb in der Tür stehen.
»Vielleicht gibt es noch andere Akten«, gab er zu bedenken. »Sie haben gesagt, Suzanne le Roux sei Künstlerin gewesen.«
»Nein. Das ist nur eine Möglichkeit«, sagte Clare.
»Politik und Kunst. Nicht immer auf gutem Fuß in jenen Zeiten. Die Sicherheitspolizei hat damals fast jeden ausgespäht.«
»Glauben Sie, es gibt noch geheime Akten?«
»Die Möglichkeit besteht«, meinte Basie Steyn.
»Ich bin Ihnen etwas schuldig.« Clare öffnete die Tür.
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie wieder Single sind.«
»Basie, Sie sind verheiratet.«
»Das war Faizal auch, als Sie ihn kennengelernt haben.«
Darauf fiel ihr keine Antwort ein.
21
Der Bau war ein Bunker an einer freudlosen Straße in Bellville. In den Blumenbeeten lag Müll, und die Fenster waren seit Jahren nicht geputzt worden. Drinnen war es allerdings kühl, und die Dame am Empfang höflich. Clare meldete sich an und fuhr, wie angewiesen, mit dem Lift in den dritten Stock.
Wilma Smit wartete schon auf sie. Ihr Händedruck war fest.
Clare reichte ihr eine Karte.
»Ich weiß, wer Sie sind, Dr. Hart.« Sie wedelte die Karte beiseite. »Wir Sozialarbeiter verwenden oft Ihre Dokumentarfilme über die Gangs auf den Cape Flats. Sie sind eine mutige Frau.«
»Freut mich, dass sie zu etwas gut sind«, sagte Clare.
»Sie arbeiten zurzeit an etwas anderem?«
»An einem Film über die Sklaverei am Kap. Manchmal glaube ich, dass viele unserer heutigen Probleme in der Sklaverei wurzeln.«
»Ja, der ganze Ärger am Gallows Hill. Ihr Foto war in allen Zeitungen. Aber deswegen sind Sie nicht hergekommen, oder?«
»Nein«, erwiderte Clare. »Nicht direkt.«
Sie folgte der Sozialarbeiterin durch einen Gang. Mrs Smit war agil und schnell, obwohl sie hinkte. Die Schultern durchgestreckt. Den Kopf hoch erhoben. Ein Leben in Habachtstellung. Ein Leben voller erteilter und befolgter Befehle. Ihr Büro war mit Büchern und Papieren vollgestopft, der Schreibtisch mit korrekt ausgerichteten Aktenstapeln bedeckt. Die Zeitung war so gefaltet, dass das kryptische Kreuzworträtsel zuoberst lag.
»Eine alte Angewohnheit.« Clares Blick war ihr nicht entgangen. »Der einzige Teil der Welt, den ich lösen kann, selbst wenn es noch so kompliziert erscheint, wenn man damit anfängt. Ich hing gerade bei der Sechs senkrecht, als Sie angerufen haben.«
»Und wissen Sie schon, was hineingehört?«, fragte Clare und setzte sich auf den steifen Stuhl, den ihr die Sozialarbeiterin anbot.
»Ich komme schon noch drauf. Also, Basie Steyn hat Sie zu mir geschickt?«
»Stimmt, er sagte, er hätte jahrelang mit Ihnen zusammengearbeitet.«
»Ich war damals der Einheit für Kinderschutz zugeteilt. Aber in den Neunzigern wurde ich gleich bei der ersten Welle mit einem goldenen Handschlag in den Ruhestand entlassen. Allerdings reichte das Gold nicht weit.« Sie schnaubte. »Jedenfalls hatte ich es bald satt, nur zu Hause zu sitzen und meinem Mann dabei zuzuhören, wie er sich über die neue Regierung beschwert. Sind Sie verheiratet, Dr. Hart?«
»Nein. Das ist nichts für mich.«
»Sehr kluges Mädchen. Wie schlecht der eigene Geschmack in Bezug auf Männer ist, erkennt man erst, wenn sie in Rente gehen. Doppelt so viel Ehemann, halb so viel Geld. Und sie beschweren sich am laufenden Band. Ich war damals genauso wenig begeistert über die neue Regierung wie alle anderen. Aber jedes Mal, wenn er sich die erste Brandy Cola des Tages einschenkte, sagte ich zu ihm, wer nichts dagegen unternimmt, braucht auch nicht zu jammern. Außerdem hatten wir uns viele Probleme selbst eingebrockt, mit der Apartheid und diesem ganzen Unsinn. Er trieb mich zum Wahnsinn.«
Sie lächelte Clare über den Schreibtisch hinweg
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