Galgenberg: Thriller (German Edition)
Beschriftung auf der Rückseite des Bildes hieß sie Le Roux. Ich erinnere mich vage an eine Susie, Sonya oder Cindy. Etwas in der Richtung. Ich habe Ihnen alle Bilder gemailt, die ich von ihr finden konnte. Es sind nicht viele. Nur die aus dem Sommer 1987.«
»In dem Jahr müsste sie das Kleid gekauft haben«, sagte Clare. »Wissen Sie, was aus ihr geworden ist?«
»Nein, tut mir leid«, antwortete Van Kleef. »Damals herrschte in Amsterdam ein einziges Kommen und Gehen, es war eine Stadt von Durchreisenden. Die vorübergehend hängen blieben und sich amüsieren wollten. Auch Südafrikaner, die der Politik entkommen wollten, weiße Jungs, die sich vor der Einberufung drückten. Alle auf der Suche nach etwas Luft zum Atmen.«
»Bitte versuchen Sie, sich zu erinnern. An möglichst viel«, bat Clare.
»Ich meine mich zu entsinnen, dass sie malte«, sagte Van Kleef. »Es blitzt da etwas in meinem Gedächtnis auf. Es steht ohne jeden Zusammenhang da. Aber es hat mit einer Sally oder Cindy oder Suzanne zu tun.« Seine Stimme versickerte, und Clare hoffte inständig, dass er weitersprechen würde. »Jedenfalls hat sie Farbe unter den Fingernägeln, und sie erzählt mir, dass sie malt, damit die Menschen nachfühlen können, was sie sieht. Etwas in der Art.« Er verstummte kurz. »Tut mir leid. Es ist schon so lange her, an mehr kann ich mich nicht erinnern.«
»Vielleicht wecken diese Fotos ja bei jemand anderem Erinnerungen«, meinte Clare.
»Gestern Nacht habe ich von ihr geträumt. Von dieser Frau in meinem grünen Kleid«, schloss er.
Clare fing Riedwaan ab, als er gerade auf sein Motorrad steigen wollte, und fasste den Anruf für ihn zusammen.
»Das muss Anfängerglück sein«, meinte Riedwaan.
»Ich habe etwas Glück verdient«, sagte Clare. »Alles in allem.«
»Hoffentlich hast du es damit nicht aufgebraucht. Du hast gesagt, du hättest einen Namen.«
»Cindy, Sonya, Sally – oder Suzie oder Suzanne. Nachname Le Roux«, antwortete Clare. »Ich muss die Vermisstenanzeigen von damals überprüfen. In den Zeitungen, die ich durchgesehen habe, stand nichts über sie.«
»Sprich mit Basie Steyn«, schlug er vor. »Wir sehen uns später.«
»Ich fahre nach Hause«, sagte sie.
Riedwaan wollte, dass sie blieb, zum ersten Mal erkannte er das ganz deutlich. Aber wie sollte er sie fragen, ob sie bleiben würde? Er wusste es einfach nicht. Am sichersten war es wahrscheinlich, gar nichts zu sagen. Bei den meisten Männern funktionierte das.
»Dann rufe ich dich später an«, sagte er.
Clare ging wieder ins Haus. Sie rief erneut nach Fritzi, aber nach wie vor war die Katze nirgendwo zu sehen. Kurz fragte sie sich, ob sie sich Sorgen machen musste, aber dann sah sie in den Futternapf, in dem nur noch ein paar Krümel lagen. Fritzi war also unterwegs – Clare lächelte still. Sie stopfte ihre Sachen in den Koffer. Die Bücher neben dem Bett ließ sie liegen. Dann ging sie ins Bad. Haarconditioner, Badesalz, Slips im Wäschekorb. Auf einem kurzen Rundgang durchs Wohnzimmer zog sie einen Sarong und ein rotes Bikini-Oberteil hinter der Couch hervor. Als sie sich umdrehte, sah alles so aus, als wäre sie nie hier gewesen. Sie steckte ihren Schlüssel ein und zog die Haustür hinter sich ins Schloss. Der Morgen war noch frisch, die Hitze hatte keine Eile. Sie hatte den ganzen Tag Zeit, um das Quecksilber auf die vorhergesagten achtunddreißig Grad zu treiben.
Clare redete sich ein, dass sie gern alles an einem Ort hatte. Außerdem war sie gern allein. Es war doch Quatsch, wenn die Hälfte hier und die andere Hälfte zu Hause lag. Ihre Katze würde sie später abholen. Sie legte ihre Sachen auf den Rücksitz des Autos und rumpelte die Kopfsteinpflasterstraßen des Bo-Kaap entlang, um sich in den zähen Verkehr unten im Stadtzentrum einzureihen.
»It’s too darned hot. I’d like to be with my baby tonight, but it’s too darned hot.« Cole Porter im Radio. Clare schaltete es aus. Die Stadt war ein einziger Ofen, ihr Wagen war der Grill, und sie war nicht in der Stimmung für DJ-Späße. Die Straße am Parlament war gesperrt, der Verkehr wurde umgeleitet, und das Labyrinth von Einbahnstraßen, das davon wegführte, war mit somalischen Händlern verstopft. Das Zentrum von Kapstadt brodelte vor schlecht gelaunten Autofahrern. Ein Minibus schnitt Clare den Weg ab. Sie stieg im letzten Moment in die Bremsen.
Nirgendwo war ein freier Parkplatz zu entdecken, darum fuhr sie auf den Bürgersteig.
In der
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