Galgenberg: Thriller (German Edition)
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Wütend auf sich selbst, stand Clare auf und fotokopierte alles, was sie brauchte.
Danach gab sie die Unterlagen wieder ab, ging los und marschierte zu ihrem brütend heißen Auto zurück.
An der Ampel fächelte sich eine Frau mit einer Obdachlosenzeitschrift Luft zu. Das Baby hing schlaff wie ein Lumpen auf ihrem Rücken. Clare ließ das Fenster hinunter und gab der Frau zwanzig Rand. Sie warf das Magazin auf den Rücksitz. Das Gesicht auf dem Cover war das gleiche wie das auf den Plakaten. Die Künstlerin Lilith le Roux, eine wieder-auferstandene Grace Kelly.
Clare rief Magda de Wet an. Als Kulturjournalistin kannte Magda alles und jeden. Sie war mit Clare zur Schule gegangen. Zwei kluge, dünne Mädchen auf der Grundschule Leliefontein. Die beiden einzigen Mädchen aus dem Distrikt, die als Zwanzigjährige noch keine Kinder und keinen Mechaniker zum Mann hatten. Beide hatten es weit gebracht, seit sie diesen staubigen, dornigen Spielplatz hinter sich gelassen hatten, und beide wussten das.
Clare erwischte ihre Freundin, während die sich gerade ein Sandwich holen wollte.
»Leiste mir doch Gesellschaft«, schlug Magda vor. »Ich hab gerade Pause. Danach ist tagelang die Hölle los. Jetzt würde es gut passen. Ich habe dich ewig nicht gesehen – du musst was von mir wollen.«
»Meine Nichte hat genau das Gleiche gesagt«, gestand Clare.
»Hatte sie recht?«
»Leider ja.«
»Wir treffen uns in diesem neuen Dings in Woodstock«, sagte Magda.
22
The Kitchen, einen Block oder zwei tief in Woodstock gelegen, war eine Oase in einem städtischen Slum. Clare studierte die Speisekarte. Die besten Sandwiches in Kapstadt.
Magda de Wet erschien, einen Meter achtzig groß, ein Wirbelwind aus Beinen, Ohrringen, Halstüchern und Ketten, jeden küssend, den sie kannte.
»Ich bin nicht hungrig«, sagte Clare, nachdem Magda sich gesetzt hatte.
»Komm schon, Clare, jetzt stell dich nicht so an, Herrgott noch mal. Du bestellst ein Love Sandwich«, befahl Magda. »Es sind die besten in der ganzen Stadt, und du willst mich doch nicht alleine essen lassen.«
»Such du was für mich aus«, sagte Clare. »Mit Hühnchen und Avocado und Salat.«
»Du bist so ein Kontrollfreak!« Sie lächelte Clare an. »Also, skat , du wolltest etwas über Lilith le Roux wissen.«
»Eigentlich über Suzanne le Roux. Liliths Mutter«, widersprach Clare.
»Die ist schon ewig tot. Lilith ist viel interessanter. Hast du ihre letzte Show gesehen?«
»Noch nicht«, gab Clare zu. »Ich wollte erst mit dir reden. Etwas über sie erfahren. Und über ihre Mutter.«
»Suzanne le Roux.« Magda sah Clare unter schläfrigen Lidern hervor an. »Eine Zeit lang verkaufte sie sich sehr gut, aber dann versank sie im Nirwana. Sie hatte ein paar Ausstellungen in Europa. Und mischte ein bisschen in der Politik mit. Dann lief sie davon, damals in den Achtzigern, als überall gekämpft wurde.« Magda tat das politische Erdbeben, das Südafrika damals in die Knie gezwungen hatte, mit einem eleganten Handschwenk ab.
»Und Lilith?«, fragte Clare.
»Ach ja, Lilith. In ihren Arbeiten geht es vor allem um Mutter-Tochter-Beziehungen – Verlassenwerden, Sex, Begierde. Die Plakate für ihre Ausstellung hast du bestimmt schon gesehen, sie heißt ›Forensic‹. Passend, finde ich.«
»Klingt ein bisschen wie diese britische Künstlerin«, meinte Clare. »Tracey Enim.«
»Stell dir Anaïs Nin auf Beutezug in einer Leichenhalle vor, und schon hast du Lilith. Sehr klug, absolut hemmungslos, sehr …« Magda nahm einen Schluck Kaffee. Ihre Lippen hinterließen einen perfekten karmesinroten Abdruck am Tassenrand.
»Masochistisch? Erotisch?«, bot Clare an.
»Ganz genau. Das verkauft ihre Arbeiten. Und sie ist schön. Was man heutzutage sein muss, um Erfolg zu haben. Sie wirkt so verletzlich, dass alle – Männer, Frauen, egal – glauben, sie hätten eine Chance, sie ins Bett zu kriegen. Der Traum eines jeden Galeristen.«
»Wer sind ihre Galeristen?«, fragte Clare.
»Die Osmans haben sie vor gar nicht so langer Zeit aufgenommen«, sagte Magda. »Was mich, ehrlich gesagt, überrascht hat. Das hätte ich ihnen nicht zugetraut.«
»Osman. Ich kenne den Namen. Erzähl mir von ihnen.«
»Inzwischen sehr teuer, diskret und mit exzellenten Verbindungen«, erläuterte Magda. »Sind schon seit Ewigkeiten im Galeriegeschäft. Machten sich ihren Namen Ende der Achtziger mit guter Repräsentationskunst.«
»Was bedeutet
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