Galgenberg: Thriller (German Edition)
tätschelte den Collie. »Ihretwegen bin ich immer noch Single.«
Clare ging mit ihm über den Strand zum Parkplatz.
»Die Wellen sind zurzeit zu gut, um nicht surfen zu gehen.« Ian Wilde lehnte sein Board gegen einen rostigen Kombi. Dann zog er den Wetsuit bis zur Taille aus. Nach Jahrzehnten des Surfens war sein Gesicht sonnengegerbt und sein Körper glatt und muskulös vom täglichen Kampf mit dem Atlantik. Er schob das Board hinten in den Kombi, drehte sich zu seinem Hund um und pfiff.
»Steigen Sie ein«, sagte Wilde zu Clare und schob einen Haufen Gerümpel vom Beifahrersitz. »Es ist entschieden zu windig, um sich draußen zu unterhalten.« Er holte ein Ledermäppchen und ein Päckchen Zigarettenpapiere heraus und drehte einen Joint. »Wollen Sie auch?«
»Nein, danke«, sagte Clare.
»Es sind schon Menschen gestorben, weil sie zu wenige Laster hatten, das wissen Sie, oder?«
»Das steht bei mir nicht zu befürchten. Aber meine bleiben geheim.«
»Geheimnisse.« Wildes Blick war scharf. »Darauf sind Sie aus, hat Pedro gesagt.«
»Was hat er Ihnen sonst noch gesagt?«
»Dass Sie mit einem moslemischen Bullen zusammen sind«, antwortete Wilde. »Er meint, er sieht aus wie Johnny Depp nach einer üblen Nacht, und dass er Sie auf den Pfad der Tugend zurückgeholt hat. Dass Sie nach Informationen über Aktivisten in den Achtzigern suchen.«
»Kapstadt ist ein Dorf.«
»An schlechten Tagen ein Kuhkaff«, bestätigte er. »Jeder kennt jeden. Jeder hat mit jedem geschlafen.«
»Das trifft vielleicht auf Sie zu«, sagte Clare.
»Allerdings.« Er lächelte. »Pedro und ich haben die Achtziger gemeinsam durchgestanden. Im Junior Bang-Bang-Club. Immerhin hat er mich überredet, mit Ihnen zu reden. Das tue ich mit den wenigsten. Inzwischen habe ich schon seit ewigen Zeiten mit niemandem mehr was zu tun.«
»Was hat Pedro Ihnen erzählt?«, fragte Clare.
»Dass Sie sich für eine vermisste Frau interessieren. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich Ihnen da helfen soll.«
»Suzanne le Roux«, erklärte Clare. »Sagt Ihnen der Name etwas?«
»O Mann.« Wilde starrte durch die Windschutzscheibe. »Davon hat er nichts gesagt.«
»Suzanne hat Kapstadt nie verlassen«, eröffnete ihm Clare.
»Das muss sie aber«, sagte Wilde. »Schließlich gab es dieses Grab und diesen Brief. Ihre Tochter …«
»Haben Sie von den Skeletten am Gallows Hill gelesen?«
»Was soll mit denen sein?«, fragte Wilde. »Die sind jahrhundertealt.«
»Stimmt, aber unter ihnen wurde auch eine Frau versteckt, die erst vor dreiundzwanzig Jahren ermordet wurde. Sie wurde in einem Abendkleid aus grüner Seide begraben. Ein Teil dieser Silberkette lag bei ihren Überresten.« Sie deutete auf ein fotokopiertes Foto, das sie aus einer Mappe gezogen hatte.
»Auch auf diese Bilder hier bin ich gestoßen – die haben Sie aufgenommen. Bei ihrer letzten Ausstellung«, sagte Clare. »In der Somerset Gallery. Ende Februar 1988. Unter den Bildern stand Ihr Name.«
»Eigentlich ist das nicht mein Gebiet.« Er betrachtete die kopierten Seiten aus der Tonight. »Aber selbst Kriegsfotografen haben ihre Schwächen.«
»Und Ihre war Suzanne?«
»Sie hatte in diesem Land nicht den Hauch einer Chance. Jedenfalls nicht damals.«
Er streifte ein T-Shirt über den Kopf.
»Es war nicht so, dass jemand sie vermisst hätte. Schließlich war sie direkt nach der Ausstellungseröffnung untergetaucht. Die Sicherheitspolizei wollte sie abholen. Da gab es einen Typen bei der Polizei, der hatte es auf sie abgesehen. Sie hatte keine Chance.«
»Können Sie mir etwas über diesen Polizisten erzählen?«
»Es gab nur Gerüchte über ihn. Über sie. Sie entsprach damals nicht dem allgemeinen Bild einer Revolutionärin. Mit ihren hohen Absätzen und dem Lippenstift. Das passte damals nicht ins Schema. Es wurden ein paar gar nicht nette Sachen über sie erzählt.«
»Zum Beispiel?«
»Dass sie mit ihm geschlafen hätte«, antwortete Wilde. »Es gab ein paar Verhaftungen – unter Leuten, die sie kannte, anderen Künstlern. Die Leute glaubten, sie hätte den Bullen Informationen zukommen lassen und ihre Genossen verraten.«
»Stimmte das?«
»Das waren nur Gerüchte, Gerede. An Suzanne blieb nichts hängen, aber tatsächlich gab es damals in Grahamstown eine Frau, die für die Sicherheitspolizei spionierte. Eine gut aussehende, blonde Studentin, die mit jedem ins Bett stieg und alles, was sie dort erfuhr, geradewegs an die Bullen weitergab. Die
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