Galgenberg: Thriller (German Edition)
jemand das Licht in ihr ausgeknipst.«
Er zündete sich noch einen Joint an und nahm einen tiefen Zug.
»Die alte Mrs le Roux hasste Suzanne. Sie war ihre Stieftochter. Und das ließ sie an dem Kind aus«, sagte Wilde. »Hören Sie, wieso interessiert Sie das überhaupt? Was soll das bringen? Ich habe das verkackt, ich weiß, aber das ist vorbei, vergangen.«
Die Wellen donnerten an den Strand, und der Wind fegte weiße Schaumwölkchen über den Sand.
»Der Mann von der Sicherheitspolizei, der es auf sie abgesehen hatte«, sagte Clare. »Wie hieß der?«
»Jacques Basson.« Der Ausdruck des wettergegerbten Gesichts war kaum zu lesen. »Nehmen Sie sich in Acht, Clare.«
»Wovor?«
Ein Nektarvogel kreischte sein Spiegelbild in der staubigen Windschutzscheibe an.
»Vor den alten Geistern, die Sie da wecken.«
Während Clare den Chapman’s Peak entlangfuhr, hoch über dem schimmernden Ozean, ließ sie ihre Gedanken treiben. Erst als sie in die Stadt zurückkam, konzentrierte sie sich wieder. Raheema Patels Büro lag im obersten Stock des Medical Sciences Buildings. In den Regalen mischten sich anatomische Bücher und Nachschlagewerke mit einer Sammlung von Steinzeitartefakten.
»Man kommt sich hier fast vor wie im Leichenschauhaus«, sagte Clare. »So still ist es hier.«
»Die Ruhe vor dem Sturm«, schränkte Raheema Patel ein. »Die Studenten sind noch nicht zurück. Bis dahin versuche ich, möglichst viel abzuarbeiten. Lilith le Roux war gleich heute Morgen hier.«
»Zur DNA-Analyse?«, fragte Clare.
»Ja. Die Ergebnisse werden morgen da sein.«
»Ich bin sicher, dass sie die Tochter ist«, sagte Clare.
»Soweit ich erkennen kann, spricht alles dafür. Sie ist sehr angespannt. Und gespannt.«
»Ich treffe mich später mit ihr«, erklärte Clare. »Ich will sichergehen, dass es ihr gut geht. Wenn ich kann, werde ich sie überreden, eine Therapie zu machen.«
»Reden Sie mit ihr, Clare. Sie sind gut.«
»Meine Grenzen scheinen in letzter Zeit ein bisschen zu verschwimmen«, gestand Clare.
»Das kann ich mir vorstellen. Am Telefon haben Sie gesagt, Sie bräuchten etwas von mir. Hinter wem sind Sie her?«
»Einem Polizisten aus den Achtzigerjahren«, antwortete Clare. »Basson. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Jacques Basson«, wiederholte Raheema Patel und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Er wurde nur der Klavierspieler genannt. Weil er jeden zum Singen brachte. Wenn ihm die Loyalität umsonst entgegengebracht wurde, nahm er sie an. Sonst erkaufte er sie sich. Er sorgte gut für seine Leute. Für sich selbst noch besser. Er wusste, wie man Geld verdient. Er hatte jede Menge davon.«
»Sie scheinen ihn ziemlich gut zu kennen«, sagte Clare. »Hatte seine Familie Geld?«
»Sie hatte gute Verbindungen. Sein Vater war Colonel in der Armee. Aber eigentlich machte sein Onkel, ein General, Jacques zu dem, was er war. General Basson – er leitete den Special Branch.«
»Ein beachtlicher Stammbaum«, befand Clare.
»Könnte man so sagen. Während der ersten Jahre meiner Arbeit für die Missing Persons Task Force fiel bei ein paar Fällen Bassons Name. Tutus Wahrheits- und Versöhnungskommission hatte uns beauftragt, verschwundene Aktivisten aufzuspüren, ihre Leichen zu finden und ihren Müttern wenigstens etwas in die Hand zu geben, das sie beerdigen konnten.«
»Sie waren durchaus erfolgreich«, erinnerte sich Clare.
»In den meisten Fällen schon. Trotzdem gab es ein paar Männer und ein paar Jungen, die wir nie fanden.«
»Musste Basson ins Gefängnis?«, fragte Clare.
»Bringen Sie mich nicht zum Lachen«, sagte Raheema Patel. »Dafür stand er viel zu weit oben. Und er war zu schlau. Er leistete sich keine Schnitzer, wir hatten nichts gegen ihn in der Hand. Er war auch in andere Sachen verwickelt, wenn ich mich recht entsinne.«
»Was für Sachen?«
»Kriminelle Sachen – und damit meine ich keine Verbrechen, die mit einer politischen Ich-habe-nur-meine-Befehlebefolgt-Erklärung entschuldigt werden konnten. Irgendwie ging es dabei um Wilderei – Rhinozerosse, Elfenbein – und Drogenhandel hier auf den Flats. Gegen Ende hatten viele in der Sicherheitspolizei Narrenfreiheit. Sie kannten keine Skrupel.«
»Und bei all den Untersuchungen kam nichts heraus?«
»Richtig geraten«, erwiderte Raheema Patel. »Vielleicht waren es ja nur Gerüchte. Und es war sowieso nicht mein Aufgabenbereich. Ich suchte nach ermordeten Aktivisten. Aber alle Polizisten, die so aussahen, als
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