Galgenberg: Thriller (German Edition)
könnten sie auspacken, oder die mit Sicherheit etwas wussten, die starben einfach. Nie tauchten irgendwelche Beweise auf.«
»Wie starben sie denn?«
»An einer Überdosis Insulin, Herzstillstand, Entführungen. Nichts Ungewöhnliches eigentlich. Nichts, wobei Querverbindungen sichtbar geworden wären. Nichts, was zu Basson geführt hätte. Die einzige Verbindung zwischen den verschiedenen Verbrechen war, dass praktisch nie Spuren zurückblieben.« Sie zog die Stirn in Falten. »Alle Zeugen – Mitglieder der Sicherheitspolizei, die sich reinwaschen wollten, Überlebende, Passanten, die zufällig etwas beobachtet hatten – starben ganz unvermutet. Wenn man bedenkt, was alle davor getan hatten … Kurz gesagt, sie waren nicht die Art von Opfer, für die sich die neu aufgestellte Polizei übermäßig interessiert hätte.«
»Ein Mord fällt nicht weiter auf, wenn rundum getötet wird, und die meisten Morde sind sowieso banal«, sagte Clare. »Dabei muss ich an Suzanne le Roux denken. Sie verschwand, kurz nachdem ihre Ausstellung Ende Februar 1988 eröffnet wurde. Aber niemand suchte je nach ihr. Es gab keinen Fall, es gibt überhaupt keine Aufzeichnungen darüber, wo sie sich zuletzt aufgehalten hat.«
»Basson spielte ein Doppelspiel. Vor allem mit Frauen, jungen Frauen. Ich konnte ihm nie etwas nachweisen, aber er schien bei jedem Menschen sofort den wunden Punkt zu erkennen. Den brauchte er dann nur noch zu drücken.«
»Ich habe mich vorhin mit Ian Wilde unterhalten.«
»Dem Fotografen?«
»Genau dem«, sagte Clare. »Er hat mir erzählt, dass Suzanne schon früher verhaftet worden war. Darum nahmen ihre Bekannten – genau wie er selbst – an, dass sie untergetaucht war und das Land verlassen hatte, als sie verschwand.«
»Damals wurden so viele Leute eingesperrt, gleichzeitig gingen viele in den Untergrund, um der Verhaftung zu entgehen, und alle waren damit mehr oder weniger ›verschwunden‹. In jenem Jahr, 1988, steuerte alles auf das Ende zu. Im Rückblick ist das leicht zu erkennen. Aber damals hatten alle höllische Angst.«
»Ian Wilde zufolge hat man sich damals erzählt, dass sie eine Affäre mit einem Sicherheitspolizisten gehabt hätte.«
»Mit Basson?« Raheema Patel tippte auf ihre Tastatur und erweckte ihren Computer zum Leben.
»Genau«, sagte Clare.
»Falls sie eine Informantin war, tauchte ihr Name jedenfalls in keiner der Akten auf, die ich damals bearbeitet habe.«
»Vielleicht stimmt das Gerücht auch gar nicht, aber ich versuche, die Lücken zu füllen«, erklärte Clare. »Schließlich ließ sie an diesem Abend ihre vierjährige Tochter zurück. Nicht bei einer Freundin, auch nicht bei einer Nachbarin. Sie ließ sie allein zu Hause. Nachdem das Kind gefunden wurde, nahm sich der Sozialdienst der Tochter an.«
»Eigenartig, vor allem, wenn die Mutter zuvor nie wegen Vernachlässigung aufgefallen war«, schloss Raheema Patel.
»Mich irritiert vor allem, dass damals alle so bereitwillig annahmen, Suzanne sei gestorben.«
»Wer hat das geglaubt?«
»Die Familie – die wenigen Angehörigen, die noch übrig geblieben waren – und die Sozialarbeiterin, die den Fall des kleinen Mädchens betreute«, antwortete Clare. »Aber wie die Sozialarbeiterin mir erklärte, hat auch niemand je Fragen gestellt. Jedenfalls keine, die aktenkundig geworden wären. Offenbar haben alle angenommen, dass Suzanne untergetaucht war, um nicht verhaftet zu werden.«
»Aber Sie halten es für möglich, dass Basson etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat?«
»Immerhin hat er sie damals vermisst gemeldet«, sagte Clare. »Das hat mir Wilma Smit erzählt, die Sozialarbeiterin, die das kleine Mädchen abholen musste.«
»Das passt gar nicht zu den anderen Fällen, mit denen er in Verbindung gebracht wurde. Niemand, der in Bassons Nähe verschwand, tauchte je wieder auf. Genauer gesagt, wurde nie jemand auch nur vermisst gemeldet.«
»Trotzdem passt es in mein Puzzle«, sagte Clare.
»Die einfachste Erklärung ist gewöhnlich die beste. Meiner Erfahrung nach braucht man, wenn man eine Frau mit eingeschlagenem Schädel oder durchschnittener Kehle findet, nur nach ihrem Freund oder Ehemann zu suchen, und schon hat man den Täter.«
»Mir brauchen Sie das nicht zu erzählen. Aber falls ich nicht etwas Entscheidendes übersehe, liegt der Fall hier nicht so einfach.«
»Also, was wollen Sie von mir?«
»Die Akten über Suzanne le Roux. Wenn sie von der Polizei observiert wurde«, meinte
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