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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Frau mit starkem Willen im Haus haben will, sollte man sich noch eine holen, nach Möglichkeit eine mit entgegengesetzten Ansichten, dann kann man sich je nach Bedarf auf die eine oder die andere Seite schlagen, um am Ende doch noch seinen Kopf durchzusetzen.« Er seufzte, und einen Moment lang verriet sein Gesicht trotz aller Erleichterung Trauer. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin, Oliver.«
    Darauf wusste Rathbone nichts zu erwidern. Ballingers offen gezeigte Wertschätzung hatte ihn etwas verlegen gemacht. Rasch lenkte er das Gespräch auf die praktischen Aspekte. »Wen soll ich also verteidigen? Die Anklage lautet auf Mord, hast du gesagt?«
    »Ja. Bedauerlicherweise.«
    »Wer ist der Mann, und wer war sein Opfer?« Da sie beide erfahrene Anwälte waren, brauchte er Ballinger nicht davor zu warnen, ihm von irgendwelchen Geständnissen zu berichten, was seine Position vor Gericht womöglich nur geschwächt hätte.
    »Jericho Phillips«, antwortete Ballinger beinahe beiläufig.
    Plötzlich wurde Rathbone bewusst, dass Ballinger ihn aufmerksam beobachtete, auch wenn er seinen Blick mit halb gesenkten Lidern zu kaschieren suchte. »Der Mann, der beschuldigt wird, den in Greenwich gefundenen Jungen ermordet zu haben?«, fragte er. Er hatte von dieser Sache in der Zeitung gelesen, und schon jetzt überlief ihn ein kalter Schauer, den er sich nicht erklären konnte.
    »Richtig«, bestätigte Ballinger. »Er leugnet das allerdings, sagt, der Junge sei weggelaufen und er habe keine Ahnung, wer ihn getötet hat.«
    »Warum wird er dann angeklagt? Irgendwelche Beweise müssen schließlich vorliegen. Wasserpolizei, richtig? Monk ist doch kein Dummkopf.«
    »Natürlich nicht«, entgegnete Ballinger höflich. »Ich weiß, dass er ein Freund von dir ist oder es zumindest war. Aber selbst gute Leute können sich irren, vor allem dann, wenn sie noch neu in ihrem Beruf und ein bisschen zu eifrig auf Erfolg bedacht sind.«
    Rathbone traf die Spitze gegen Monk schmerzhafter, als er erwartet hatte. »Ich habe ihn in letzter Zeit nicht gesehen. Ich war sehr beschäftigt und könnte mir vorstellen, dass es bei ihm nicht anders ist. Aber ich betrachte ihn immer noch als Freund.«
    Ballingers Gesicht verriet auf einmal Bedauern, ja schlechtes Gewissen. »Ich möchte mich entschuldigen. Ich wollte ihm nichts Unehrenhaftes unterstellen. Hoffentlich habe ich dich jetzt nicht in eine Rolle gedrängt, in der du das Urteil eines Mannes anzweifeln musst, den du magst und achtest.«
    »Sympathie für Monk hat nichts mit der Verteidigung eines Mannes zu tun, den er verhaftet hat!«, rief Rathbone hitzig, nur um im selben Moment zu merken, dass das sehr wohl der Fall sein könnte, wenn er es zulassen würde. »Hältst du es für möglich, dass meine Verbindungen zur Polizei, zur Staatsanwaltschaft oder von mir aus auch zum Richter irgendwelche Auswirkungen darauf haben, wie ich einen Fall führe, egal welchen?«
    »Nein, mein lieber Junge, natürlich nicht«, antwortete Ballinger tief bewegt. »Und genau das ist der Grund, warum mein Mandant dich gewählt hat und warum ich mich seinem Urteil voll und ganz angeschlossen habe. Wenn du Jericho Phillips verteidigst, wird er den fairsten Prozess bekommen, der möglich ist, und selbst wenn er schuldig gesprochen und gehängt wird, wird es unser Herz erleichtern, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Keiner wird in der Nacht von Schuldgefühlen oder Zweifeln geplagt aufwachen müssen, dass wir ihn vielleicht nur deshalb hingerichtet haben, weil er eine andere Art von Leben führt, sein Beruf nicht unserer Auffassung von Gelderwerb entspricht oder sein abstoßendes Auftreten uns mehr bewegt hat als die Wahrheit. Wenn wir zu seinesgleichen gerecht sind, dann sind wir zu allen gerecht.« Er erhob sich und streckte Rathbone die Hand entgegen. »Danke, Oliver. Margaret ist zu Recht stolz auf dich. Ich kann ihr das Glück am Gesicht ansehen und weiß, dass es von Dauer sein wird!«
    Rathbone blieb gar nichts anderes übrig, als Ballingers Hand zu ergreifen, allerdings immer noch mit einer Spur von Verlegenheit, denn er war solche Offenheit in emotionalen Dingen einfach nicht gewohnt.
    Aber als Ballinger gegangen war, freute auch er sich. Dieser Fall würde zwar eine enorme Herausforderung darstellen, und er würde bestimmt nicht gerne verlieren, aber es war eine Ehre, von Ballinger darum gebeten zu werden – eine verquere, gefährliche Ehre. Und für ihn wäre es eine überaus

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