Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
dafür, sofort die Polizei in Ayr zu verständigen, doch ich wollte nur ein paar Pennys und ein öffentliches Telefon. Also überließen sie mich meinem Schicksal, setzten ihre blitzsauberen Segel und lenkten die Boote wieder aus dem Hafen hinaus, um die wartenden Fischschwärme einzufangen.
Ich wankte zum Telefonhäuschen am Kai. Während die Vermittlung mich zu Sam durchstellte, zitterte ich trotz der geborgten karierten Wolldecke, in die ich mich eingemummelt hatte. Schließlich hörte ich ihre Stimme und warf die Münzen in den Schlitz ein.
»Sam, ich bin’s, Brodie. Tut mir leid, dass ...«
»Oh, Gott sei Dank! Wo stecken Sie? Was ist passiert?«
Mich rührte die Besorgnis, die ich aus ihren Worten heraushörte. Schließlich schien es, sah man einmal von meiner Mutter ab, sonst jedem Menschen egal zu sein, ob ich lebte oder tot war. In letzter Zeit hätte mich die Mehrzahl der Leute, mit denen ich zu tun hatte, sogar lieber unter der Erde gesehen, vermutete ich.
»Ich bin in Dunure, das liegt hinter Ayr, und stecke ein bisschen in der Klemme.« Ich schilderte ihr grob, wieso ich kurz vor Mitternacht halb nackt und klitschnass in einer öffentlichen Telefonzelle stand.
Sie sagte, ich solle auf sie warten.
Mittlerweile war es zwei Uhr morgens, und ich saß auf der Kaimauer und starrte auf das silbrig glänzende Meer. Immer wieder kehrten meine Gedanken zu der grausamen Folter zurück, die ich Fergie und seinem Kumpel verpassen würde, wenn ich sie nur in die Finger bekam. Ich hatte Männer gesehen, die nach einem Bajonettstich in die Eingeweide noch Stunden mit unerträglichen Schmerzen überlebt hatten. Jeder Aspekt dieser ganzen verdammten Geschichte brachte mich zur Weißglut. Man hatte mich aus meinem neuen Leben in London weggelockt. Und wofür? Für eine zum Scheitern verurteilte Mission. Ein Priester, der ein doppeltes Spiel trieb, führte mich an der Nase herum. Und zwei geistig minderbemittelte Arschlöcher versuchten, mich aus dem Verkehr zu ziehen und in Fischfutter zu verwandeln.
Plötzlich hörte ich auf, mich selbst zu bemitleiden. Was war mit Sam? Was hatten diese Schweine mit ihr vor? Das Beten hatte ich mir mittlerweile abgewöhnt, aber ich hoffte inständig, dass sie auf der Fahrt hierher keine Probleme bekam und ihre Bremsen vorher überprüft hatte.
Ich zündete mir eine weitere Zigarette an. Neben der Wolldecke – ich hatte versprochen, sie später im Büro des Hafenmeisters zu deponieren – hatten die Fischer mir auch ein paar Sandwiches mit Fischpaste hinterlassen, außerdem eine Packung Woodbine-Zigaretten.
Ich rauchte Kette, bis ich hörte, wie ein großer Wagen den Hügel zum Dorf hinunterfuhr. Sobald er in die Kurve ging, verschwanden die Scheinwerfer kurz aus meinem Blickfeld, doch schließlich tauchten sie die an den Kai angrenzende kleine Straße in grelles Licht. Barfuß stolperte ich auf den Wagen zu und kam mir dabei wie ein Flüchtling aus jener Zeit vor, als die adligen Schafzüchter in ihrer Gier nach Weideland die einheimischen Gälen aus dem Hochland vertrieben hatten.
Während Sam auf mich wartete, hatte sie bereits die hinteren Wagentüren geöffnet. Als ich näher kam, sah ich, dass sie ein Kestrel-Fließheck von Riley fuhr. Das verrieten mir neben den großen Scheinwerferlampen auch die charakteristischen drei Fenster auf beiden Seiten. Ein Modell mit 1,5-Liter-Motor, einem Twin-Cam und Speichenrädern. Welche Überraschungen hatte Miss Samantha Campbell wohl noch auf Lager?
»Mein Gott, Sam, welch wunderbarer Anblick für meine müden Augen!«
»Das kann ich von Ihnen leider nicht behaupten, Sie alter Highlander. Was haben die bloß mit Ihrem Gesicht angestellt!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wollte mir über die aufgerissene Wange und das lädierte Kinn streicheln, hielt sich aber gerade noch zurück. Ich hasste es, wenn ich Frauen zum Weinen brachte. In der Regel bedeutete das, dass ich noch tiefer in der Scheiße steckte, als ich bis zu diesem Zeitpunkt gedacht hatte.
»Das waren nicht die Fische, das dürfen Sie mir glauben.«
Sie drehte sich von mir weg und kramte auf dem Rücksitz herum. »Hier, probieren Sie das an. Hat meinem Vater gehört.« Sie hielt mir eine Tweedhose und ein dickes Baumwollhemd hin.
Ich schlüpfte mit zitternden Beinen hinein und stellte fest, dass die Hose zwei oder drei Zentimeter zu lang und in der Taille viel zu weit war. Aber Hosenträger lösten das Problem ausgesprochen pragmatisch, außerdem stand ich ja
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