Galgeninsel
entgegengesetzter Richtung. Der schwarze Benz wurde langsamer, als die alten Lagerhäuser ins Blickfeld gerieten. Schielin verringerte seine Geschwindigkeit, als er sah, wie Kehrenbroich am rechten Straßenrand anhielt und ausstieg. Er wirkte gehetzt, sah sich ein paar Mal um und sein Blick streifte sogar einmal Schielins Auto. Aber Schielin hatte genügend Abstand. Kehrenbroich eilte über die Straße hinweg, zu einem der Eingänge des Lagerhauses. Schielin stellte seinen Wagen ein Stück abseits der Hallen, in den Sichtschutz eines LKW-Anhängers und stieg aus. Das interessierte ihn nun schon, was Kehrenbroich in den Lagerhäusern hier draußen verloren hatte. In den Räumen hatten Import- und Exportfirmen ihre Geschäfts- und Lagerräume, den Händler von Film- und Fotomaterialien kannte er sogar persönlich. Alles solide Unternehmen. Jedenfalls war Schielin nichts Gegenteiliges bekannt. Er rief Marja an, die wenig begeistert klang, als er ihr erklärte, dass er sich verspäten würde.
Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Zwanzig Minuten musste er warten. Dann sah er Kehrenbroichs schlaksige Gestalt wieder aus dem Gebäude kommen. Diesmal jedoch aus einer Lagerhalle, an der das schwere Schiebetor aufgezogen worden war. Kehrenbroich sprang von der Laderampe hinunter auf die Straße, drehte sich der Halle zu und sprach mit jemandem, der drinnen stand und den Schielin nicht erkennen konnte. Kehrenbroich war sehr erregt, wie die hektische Gestik seiner Hände, überhaupt sein ganzes Gebaren vermittelte. Schielin war auch zu weit entfernt, um verstehen zu können, wovon der Banker redete. Zudem blickte der immer wieder kontrollierend zu den Seiten. Er wollte nicht, dass jemand mithörte. Kehrenbroich beendete den Disput mit einer ärgerlichen, wegwerfenden Handbewegung, ging zu seinem Auto und brauste davon.
Schielin fuhr langsam vor, zu der Stelle, an welcher Kehrenbroich aus der Halle gekommen war. Das Schiebetor war schon wieder verschlossen. Er lief die paar Meter zum Eingang und sah auf die Beschriftungen der Briefkästen. Ein Fotograf hatte hier sein Studio. Dann gab es eine Werbeagentur, eine Putzfirma namens Blitzi und die Handelsgesellschaft Gepax. Schielin überlegte. Er würde schon noch erfahren, wer Zugang zu dieser Lagerhalle hatte. Diese Handelsgesellschaft kam wohl am ehesten in Betracht. Was wollte Kehrenbroich hier und aus welchem Grund war er so aufgebracht gewesen? Schielin eilte zurück zum Lkw-Anhänger, und von dort aus auf die Rückseite der Lagerhalle. Hier befanden sich zwischen hohem Unkraut und Brennnesseln, von der Straßenseite abgewandt, einige Parkplätze. Ganz vorne stand ein abgewrackter Golf zwo, daneben ein alter Renault und zwei japanische Kleinwägen. Schielins Interesse erregte jedoch das rot-schwarz leuchtende Metall ein Stück weiter hinten. Er ging an den Kleinwagen vorbei, nicht ohne zu prüfen, was so auf den Sitzen herumlag, und stand schließlich vor einem schwarzen, tiefergelegten Mercedes E500. Die Scheiben waren dunkel getönt und das Ding stand auf derart niederquerschnittigen Niederquerschnittsreifen, dass man meinen konnte, der Gummi sei nur Zierde. Er pfiff freudig den Anfangstakt von Beethovens Fünfter. Das war eine Zuhälterkiste wie aus dem Polizeibilderbuch. Daneben breitete sich das matte Rot einer Corvette aus. Er notierte die Kennzeichen und ging nochmals zurück zum vorderen Eingang. Auf dem Weg dorthin fiel ihm ein Treppenaufgang zu einer Laderampe auf. Die Eisenbrüstung war ausgerissen und zwischen den metallenen Ständern war nun ein Seil gespannt, um Abstürze zu verhindern. Schielin war sich nicht mehr sicher, aber es sah fast so aus wie das, mit dem Kandras gefesselt war. Die Endstücke waren ausgefranst und ausgeblichen. Eine frische Schnittstelle war also nicht vorhanden. Trotzdem schnitt Schielin ein Stück ab, um es mit seinem Stück Seil vergleichen zu können.
Diese Autos und dann das Seil. Er war jetzt sehr neugierig, wer und was hinter Gepax zu finden war. Er fuhr durch seine braunen glatten Haare, um etwas Unordnung hineinzubringen und zog sein Hemd aus der Hose. Dann ging er den Gang entlang in Richtung einer Metalltür, auf der in großen Buchstaben Gepax stand. Kurz davor rief er laut: »Hallo, Hallo«, drückte die Klinke nieder und zog an. Glück gehabt. Die schwere Tür bewegte sich tatsächlich auf ihn zu und er warf einen Blick in den Lagerraum. Drei Männer kamen mit erschrockenen Gesichtern auf ihn zu. Hinter ihnen
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