Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
Patrizier wie ich würde eine wie dich zur Frau nehmen? Eine, die sich dem Erstbesten für ein Törtchen an den Hals wirft?»
    «Hast du mich denn nie geliebt?», fragte das Mädchen mit zitternder Stimme.
    «Geliebt? Nein. Gefickt habe ich dich, das ist alles.»
    Das Mädchen schwieg, presste nur eine Hand auf ihre Brust, um das schreiende Herz darin zu beruhigen.
    «Gib mir den Saft», verlangte Sebastian. «Ich gebe dir einen ganzen Gulden dafür. Und dann: Alles Gute im weiteren Leben.»
    «Nein!», sagte das Mädchen mit fester Stimme. «Nein! Einmal noch will ich mit dir schlafen. Einmal noch sollst du mir aus einem Silberbecher Wein auf die Lippen träufeln. Einmal noch will ich das Rad der Fortuna sehen und mit den Händen danach greifen.»
    Dann zog sie ihn zu sich, nahm seine Lippen in ihren Mund, ließ ihn kaum zu Atem kommen. Sie lockte, reizte, flüsterte, schmeichelte, verzärtelte ihn, bis er ihr keuchend das Mieder aufriss. Als er an seinen Beinkleidern hantierte, versperrte sie sich. «Den Wein», erinnerte sie. «Ich möchte Wein mit dir trinken. Alles soll so sein wie beim ersten Mal. Nur auf die Kuchen kann ich verzichten. Wein aber will ich. Und deine Schwüre, dass du mich liebst. Immer und ewig und über den Tod hinaus.»
    Sebastian lächelte, leckte sich über die Lippen: «Eines muss man euch Vorstadtmädchen lassen. Ihr wisst, was Männer wollen. Ich wünschte, die Patrizierinnen hätten nur halb so viel Sinnlichkeit und Kunstfertigkeit wie du.» Er küsste sie herzhaft. «Sollst haben, was du dir wünschst. Schließlich hast du mir bisher viel Freude gemacht.»
    Das Mädchen biss sich auf die Lippen, presste eine Hand auf ihr Herz und schwieg.
    Der Patrizier holte eine silberne Flasche aus seinem Wams, schraubte sie auf, goss Flüssigkeit daraus in den Verschluss. «Da, trink, es ist Branntwein.»
    Das Mädchen hatte die offene Flasche mit dem Mohnsaft schon in der Hand. Sie trank, schluckte laut, träufelte währenddessen den Mohnsaft hinein, hielt dann dem Liebsten die Flasche an den Mund.
    Der lachte und trank. Dann gab das Mädchen ihm das Mohnfläschchen. «Gib mir den Gulden», sprach sie dazu.
    Sebastian lachte. «Bist doch eine Hure», sagte er zufrieden. «Kannst die Liebe vergessen, sobald der Gulden rollt.»
    «Nichts anderes hast du von mir erwartet», erwiderte das Mädchen. «Und leg noch einen halben Gulden obendrauf. Musst heute bezahlen für meinen Schoß.»
    Sie strich ihm dabei über die Leibesmitte, sodass er den halben Gulden gar nicht schnell genug aus seiner Geldkatze holen konnte. Dann konnte er nicht länger an sich halten.
    Doch kaum war sein Samen an des Mädchens Schenkeln getrocknet, sein Kopf auf ihren warmen Bauch gebettet, schlief er ein und schlief schon bald so fest, dass nichts und niemand ihn wecken konnte.
    Das Mädchen riss an seinem Arm, schlug auf seine Wangen. Nichts. Sebastian lag da wie tot. Nur die Feder, die das Mädchen ihm vor den Mund hielt, zeigte mit leisen Bewegungen an, dass er lebte.
    Das Mädchen sah auf den Mann. Ihr Herz schrie noch immer vor Schmerz. Sie hatte ihn geliebt. Und er hatte sie verraten. Das tat so schrecklich weh. Plötzlich verengten sich die Augen des Mädchens zu Schlitzen. Ihr Herzschlag beruhigte sich, wurde gleichmäßiger. Sie holte aus ihrem Leinenbeutel, den sie bei sich getragen hatte, das Tugendhaus. Das lederne Leibchen, in welches der Pfarrer sie nachts geschnürt hatte. Das Tugendhaus. Sie hatte es damals, als sie ihr Kind bekam, mit in die Kirche genommen, hatte es in der Hand gehabt, als sie blutend im Schnee lag, hatte es später im Haus der Hebamme in eine Truhe gesteckt. Das Tugendhaus. Sinnbild all dessen, was sie niemals sein würde. Sinnbild all dessen, was sie vergebens erstrebte. Rein wollte sie sein in Gedanken und Taten. Gottesfürchtig. Ihrer Mutter so unähnlich wie möglich. Aber das Leben hatte anderes mit ihr vor. Warum nur?, fragte sie sich. Warum bin ich auserwählt, alles Schlechte in mir zu haben? So zu sein, dass die Menschen nur das Schlechteste in mir vermuten? Was habe ich getan? War mein Leben verpfuscht von Anfang an? Wird der, der aus einem unreinen Schoß gekrochen ist, niemals rein werden können?
    Sie nahm das Tugendhaus und presste es ihrem Liebsten, ihrem Verräter, auf Mund und Nase. Nur kurz wehrte er sich. Der Mohnsaft hatte ihn betäubt. Schließlich spürte sie, wie seine Muskeln unter ihr erschlafften, wie sich auch der Schließmuskel löste und sich sein Darm

Weitere Kostenlose Bücher