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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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schmelzen, bis es in feinen Tröpfchen auf ihre Stirn und ihre Oberlippe trat.
    «Stell dich nicht so an!», schrie der Mann, doch sie tat gar nichts. Lag einfach da und betete, dass ihr Tor seinem Ansturm standhielt. Sie wollte nicht, dass der Ast sich in sie bohrte.
    Regungslos lag sie, die Hände in das Laken gekrallt, das Gesicht verzerrt, die Augen ganz dunkel.
    «Los jetzt!», schrie der Mann, stützte sich nur auf eine Hand, holte aus mit der anderen und gab ihr eine Maulschelle. Ihr wurde heiß unter dem Schlag. Doch ihr Schoß war noch immer kalt. Heiß und kalt. Hell und dunkel. Laut und leise. Alles und nichts.
    Der Mann stieß in sie und stieß und stieß, und einmal durchbrach er fast das Tor, und sie begann zu schreien. Da presste sich etwas in ihr zusammen, wurde hart und fest und verwehrte sich.
    Er holte wieder aus und schlug nach ihr, traf sie auf der anderen Wange, die so heiß wurde, dass sie aufkeuchte.
    «Aas, verfluchtes», schrie er. «Bezahlt habe ich für dich!», und stieß und stieß und stieß, aber jetzt wusste sie, wie sie das Tor verschließen musste.
    Da ließ er ab von ihr, zog den Ast heraus, griff mit dem Finger in sie hinein, und sie brüllte auf. Sein Finger bohrte und tat ihr weh und machte sie kalt und heiß zugleich. Daholte sie das Lied aus sich heraus, brüllte es ihm in die Ohren, sodass sein Finger herausgesungen wurde aus ihr.
    Er stand und holte aus und wollte sie wieder schlagen, doch dann ließ er den Arm sinken, schüttelte sich, riss die Kammertür auf und rief nach der Hurenmeisterin.
    Die kam gestürzt mit wildem Haar und funkelnden Augen, die Mutter hinterdrein.
    «Will sie nicht?», fragte die Wirtin.
    «Sie sperrt sich», rief der Mann. «Meine anderthalb Gulden will ich zurück.»
    «Sie ist noch nicht so weit, ist noch zu jung», jammerte die Mutter.
    Die Hurenwirtin fauchte: «Dann gib du ihm sein Geld und pack dich. Jetzt gleich.»
    Und die Mutter knickte ein und sagte leise: «Einmal können wir’s ja noch versuchen.» Sie langte nach dem Bein des Mädchens und bog es nach hinten, dass das Knie über den Bauch ragte und drückte es zur Seite. Die Hurenmeisterin nahm das andere Bein, drückte dabei ihren Oberkörper auf das Kind, das unter dem dumpfen Kleid fast erstickte.
    «Nun los!», sagte die Hurenmeisterin, und der Mann holte seinen Ast und nahm Anlauf. Dem Mädchen wurde heiß, so heiß wie in der Hölle, und es wollte schreien, doch das Kleid der Meisterin war in ihrem Mund, erstickte alles. Sie spürte, wie sie riss, wie etwas in ihr zerriss. Da starb sie zum zweiten Mal.

Kapitel 7
    Hella war mit dem Abendbrot früher fertig als ihr Mann. Sie hatte die Schüssel von sich geschoben und betrachtete Heinz Blettner.
    Seine hellen Augen blickten meist aufmerksam in die Welt, jetzt betrachteten sie wohlgefällig ein Stück Braten. Die Nase kräuselte sich leicht, die Augen schlossen sich, der Mund mit den Lippen, die ihr manchmal scharf begrenzt, ein anderes Mal fast konturenlos schienen, stülpte sich leicht nach vorn.
    «Hmmmm!», brummte Heinz. «Köstlich!»
    Er fasste das Messer und die zweizinkige Gabel, eine neue Mode aus Italien, ganz fest und begann, am Fleisch zu säbeln. Heinz spießte ein Stück auf den Zweizinker, hob ihn zum Mund, öffnete die Lippen gerade so weit, dass das Fleisch gut hineinpasste, dann schloss er den Mund, kaute, blickte dabei in Welten, die Hella nicht kannte, die aber dem gepriesenen Schlaraffenland nahe zu kommen schienen, dann schluckte er, ließ das Messer sinken, griff nach dem Weinbecher und trank einen kräftigen Schluck. «Köstlich!»
    «Du siehst so zufrieden aus», stellte Hella fest.
    «Das bin ich auch, mein Herz», verkündete der Richter lächelnd. «Ich habe allen Grund zur Freude: Der Fall ist abgeschlossen, du sitzt mir gegenüber, das Essen schmeckt hervorragend.»
    «Und wenn es doch Mord war?», fragte Hella und griff über den Tisch nach seiner Hand, die das Messer hielt. «Ich habe Angst, Heinz. Was ist, wenn du dich getäuscht hast? Was, wenn du jemanden als Selbstmörder verurteilt hast und ihn in den Fluss werfen ließest, obwohl es Mord war? Es geht um dich, Heinz. Und dein Seelenheil. Jemandem den gerechten Tod, das Begräbnis in geweihter Erde zu versagen ist eine große Sünde. Der Seligkeit gehst du verlustig.»
    Heinz Blettner sah seine Frau aus zusammengekniffenen Augen an. «Weißt du etwas, das ich nicht weiß?»
    Hella wiegte den Kopf hin und her. «Eine Wanderhure war sie», sagte

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