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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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sie. «Dem Hurenmeister hat sie erzählt, sie fühle sich bedroht. Weggeschickt hat er sie trotzdem, und am nächsten Morgen war sie tot.»
    «Dann ist es offensichtlich. Wenn der Hurenmeister sie weggeschickt und sie so gar kein Auskommen hatte, wird sie sich umgebracht haben, um dem Erdendasein, dem schrecklichen, zu entgehen.»
    «Aber Heinz, dein Seelenheil!»
    Der Richter hatte aufgegessen, schob seinen Teller von sich. «Du machst dir wirklich Sorgen, nicht wahr?»
    Hella nickte. Da streckte er die Arme nach ihr aus. Hella kam auf seinen Schoß und schlang die Arme um ihn. «Sorge dich nicht. Es hat alles seine Richtigkeit. Wenn du magst, dann geh morgen in die Kirche und spende eine Kerze. Pater Nau wird es freuen. Aber dann, liebes Kind, ist Schluss mit dem Ermitteln. Hast du mich gehört?»
    Hella nickte.
    «Ein Kind sollten wir haben, das brächte dich auf andere Gedanken», stellte der Richter fest. «Komm, lass es uns gleich versuchen. Jetzt gleich.»
     
    Am nächsten Vormittag, Heinz Blettner war bereits im Malefizamt, klopfte es an der Tür. Hella, die in der Wohnstube saß und sich Gedanken darüber machte, wie eine Kammer für ein Kind einzurichten wäre, schrak hoch. Die Magd war mit der Wäsche unten am Fluss, der Knecht hackte Holz, sodass Hella allein im Haus war.
    Sie erwartete niemanden. Der Kesselflicker kam am Mittwoch, der Scherenschleifer jeden dritten Montag. Heute aber war Samstag.
    Sie sprang auf, ging zum Fenster und sah hinunter zur Haustür. Unten stand eine Frau in mittleren Jahren, die Hella bekannt vorkam.
    «Wollt Ihr zu mir?», rief sie.
    Die Frau zuckte zusammen und sah zu ihr hoch. «Zum Richter oder aber zu Euch, wenn er nicht da ist.»
    Hella schloss das Fenster und stieg die Treppe hinunter. «Gelobt sei Jesus Christus.»
    «In Ewigkeit. Amen.»
    «Nun, was kann ich für Euch tun?», fragte Hella und führte die Frau in die Küche.
    «Die Vossin bin ich. Das Weib vom Gewandschneider aus dem Hirschgraben. Mein Mann ist weg. Seit gestern Mittag schon.»
    Hella schob der Frau einen Becher mit verdünntem Wein über den Tisch. «Da, trinkt und beruhigt Euch. Und dann erzählt.»
    Die Vossin leerte den Becher in einem Zug. «Mein Mann. Gestern ist er nach dem Mittagsmahl in die Zunftstube gegangen. Am Nachmittag wollte er wieder zurück sein, weil der Patrizier Schön sich ein neues Wams anpassen lassen wollte. Nun, Schön kam, nicht aber der Meine. Das ist noch nie da gewesen. Die Kundschaft hinten, die Kundschaftvorn. Selbst als seine Mutter im Sterben lag, hat er erst noch ein Beinkleid angemessen, bevor er an ihr Lager eilte.»
    «Nicht wiedergekommen», wiederholte Hella, um die Frau auf den rechten Pfad ihrer Rede zurückzubringen.
    «Ja. Und auch am Abend nicht. Da habe ich den Knecht in die Schenken geschickt, um nach ihm zu suchen. Nichts. Niemand hatte ihn gesehen. Auch in den Würfelstuben war er nicht, nicht im Zunfthaus. Sogar bei den Huren war der Knecht vergeblich.»
    Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. «Versteht mich recht», flüsterte sie. «Er hat sich bemüht, ein guter Mann zu sein. Aber die schlechten Säfte.»
    «Aha, verstehe», sagte Hella leise und betrachtete das Gesicht und den Hals der Frau. Um das linke Auge der Vossin schimmerte es blau, ein schon fast verblühtes Veilchen.
    «Warum kommt Ihr damit zu mir?», fragte sie leise.
    «Ich wollte erst zum Richter. Im Malefizamt war er nicht.»
    «Ihr hättet gleich in der Ratsschenke suchen sollen.»
    «Das geht nicht, Blettnerin. Zum Gespött hätte ich den Euren gemacht. Eine Frau, die einem Mann in die Schenke nachrennt, o weh.»
    «Euer Mann hätte Euch dafür verprügelt, nicht wahr?»
    Die Vossin nickte. Sie senkte den Blick, Tränen tropften auf ihr Kleid. «Nicht nur der Meine, die meisten hätten wohl so gehandelt.»
    «Das stimmt», gab Hella zu, stand auf, goss der Gewandschneiderin einen neuen Becher Wein ein, gab nur wenig Wasser hinzu.
    «Da, trinkt. Und dann erzählt weiter.»
    «Versteht mich nicht falsch, junge Frau. Er ist kein schlechter Mann, sorgt für die Seinen.»
    «Aber geschlagen hat er Euch doch.»
    Die Vossin nickte mit gesenktem Kopf.
    «Und doch sucht Ihr ihn? Seid nicht froh, dass er weg ist und der Ochsenziemer in der Ecke bleibt?»
    «Was soll ich tun, Blettnerin? Ich bin eine Frau wie Ihr. Die Werkstatt kann ich nicht weiterführen, das ist einer Frau nicht erlaubt. Selbst dann nicht, wenn meine Nähte gerader und fester sind als die meines Mannes. Eine Frau

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