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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Augen gemacht hatte. Wenn sie ihn nun selbst umgebracht hatte? Hella erstarrte, blieb stehen. Nein, das konnte nicht sein, das war nicht vorstellbar.Die Vossin war keine kleine Frau, aber groß und kräftig war sie auch nicht. Und überhaupt, wann hatte man schon gehört, dass eine Frau ihrem eigenen Mann den Garaus gemacht hatte?
    Langsam ging Hella weiter, bis sie sich unversehens vor der Wohnung des Paters und ihrer Mutter wiederfand.
    «Wie würdest du einen Mann töten?», fragte sie Gustelies, die gerade dabei war, einen Kuchen mit getrockneten Apfelscheiben zu belegen.
    «Ich?», fragte Gustelies. «Wie? Meinst du mich etwa?»
    «Ja. Dich. Wie würdest du einen Mann töten?»
    «Warum sollte ich so etwas tun? Ich habe mit deinem Vater ein glückliches Leben geführt. Vielleicht war es nicht die große Liebe, sondern nur eine kleine, aber sie war beständig. Nie, niemals in meinem ganzen Leben wäre ich auf den Einfall gekommen, ihn zu töten. Nicht ihn und auch keinen anderen.»
    «Ja, ja. Aber wenn doch?»
    «Nichts da, wenn doch. So ein Unfug. Aber wenn doch, dann   … Dann hätte ich ihn wohl vergiftet.»
    «Vergiftet?»
    «Ja, natürlich. Was denn sonst? Soll ich ihm etwa mit dem Schwert den Kopf abschlagen wie der Scharfrichter? Ihn aufknüpfen? Ertränken? Mit der Arkebuse erschießen? Nein, nein, für eine Frau kommt am ehesten Gift in Frage. Vorher aber hätte ich allen Leuten mein Leid geklagt über seine plötzliche Traurigkeit. Schwermütig sei der Mann, hätte ich erzählt und mir vor Sorge die Haare gerauft. Wäre er dann tot, so dächte jeder, er habe sich selbst gerichtet.»
    «Hmm. Gift also. Und wenn du dir mit dem Selbstmord deines Mannes geschadet hättest und es deshalb nicht sohinstellen könntest, was hättest du dann mit der Leiche gemacht?»
    Gustelies ließ sich neben Hella am Küchentisch nieder und betrachtete ihre Hände, die über und über mit Mehl bestäubt waren. «Tja, so ein Mann wiegt schwer.»
    «Du hättest ihn mit dem Fleischermesser zerschneiden können.»
    «Ach, geh fort. Mit dem Fleischermesser! Und die Sauerei dabei? Wer soll das alles putzen? Merk dir eines, meine Liebe, eine Hausfrau wird niemals eine Leiche im eigenen Haus zerstückeln. Der reicht das Schlachten im Herbst.»
    Hella kicherte. «Deine Argumente sind unschlagbar. Aber du hast hier noch immer eine Leiche herumliegen. Also, was machst du damit?»
    Gustelies stand auf, ging vom Tisch zum Herd und wieder zurück. Dabei strich sie sich mit dem Handrücken eine Haarsträhne aus dem Gesicht und verschmierte etwas Mehl auf der Stirn.
    «Wenn ich einen Karren hätte, würde ich ihn darauf in den Wald schaffen. Auf einer Lichtung würde ich ihn liegenlassen. Die Wildschweine würden kommen und ihn auffressen bis zum letzten Knöchlein. Am besten eignen sich wohl dafür die Monate Dezember bis Februar. Schließlich müssen die Schweine schön hungrig sein. Ein kalter Winter mit Frosteinbruch käme da gerade recht.»
    «Du bräuchtest einen Helfer, der dir mit dem Karren hilft. Und eine gute Ausrede für die Torwächter.»
    «Das stimmt», gab Gustelies zu. «Ich könnte ihn aber auch im Main versenken. Einen Stein an einem Strick um den Hals und fertig.»
    «Auch dabei bräuchtest du einen Gehilfen.»
    Gustelies war aufgestanden und belegte den Teig weitermit den Apfelscheiben, gab kräftig Zimt darüber, beträufelte alles mit Honig und schob dann das Blech in das Backrohr.
    «Ich könnte ihn einpökeln. In einem Fass. Er bleibt einfach im Vorratskeller stehen, bis sich eine Gelegenheit findet.» Gustelies lachte, aber es war kein frohes Lachen.
    «Das wäre zu grausam, Mutter. Immer den Gatten da im Fass stecken sehen. Vielleicht noch garniert mit einem bisschen Sauerkohl, wie?»
    Gustelies wusch sich das Mehl von den Händen. Dann erst fragte sie: «Was soll das Gerede eigentlich? Du hast es doch mit Heinz ganz gut getroffen. Oder ist da was, das ich nicht weiß?»
    Hella schüttelte den Kopf. «Nein, nein, es ist alles in Ordnung.» Dann berichtete sie vom Besuch der Gewandschneiderin und dem Gespräch mit Jutta Hinterer.
    Gustelies kicherte: «Die Jutta, wie sie leibt und lebt. Als Mann wäre ich bei ihr wirklich vorsichtig. So schnell kannst du nicht gucken, wie sie einem Kerl ans Leder geht, wenn er ihr dumm kommt. Aber ansonsten hat sie nicht unrecht.»
    «Wie meinst du das?»
    «Der Voss ist bekannt in der ganzen Stadt. Kaum geht eine zu ihm, so findet er Gelegenheit, ihr an den Hintern zu grapschen.

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