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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Blettner. «Wir haben ihnen keine Beachtung geschenkt. Weißt du, woher sie kommen?»
    Hella schluckte. Am liebsten hätte sie geschwiegen, doch sie musste sprechen. Es ging um ihren Mann und sein Ansehen. Langsam und den Blick fest auf den Boden gerichtet, sprach sie: «Einmal habe ich ein Kind gesehen, welches unter einem Kissen erstickt wurde. Das Kissen schürfte die Haut so auf.»
    Dann stand sie auf, noch ehe der Richter etwas erwidern konnte, und lief davon in Richtung Straße.
    Heinz Blettner eilte hinterher. Im Gehen wandte er sich noch einmal um und rief den anderen zu: «Ihr wisst, wo Ihr Eure Protokolle abgeben müsst, nicht wahr?»
    Als sie eine Weile gegangen waren, fragte der Richter behutsam: «Was war das für ein Kind, das du da gesehen hast?»
    Aber Hella presste die Lippen fest aufeinander und schüttelte nur den Kopf. Langsam gingen sie weiter. Der Richter hatte seiner Frau eine Hand stützend in den Rücken geschoben und streichelte sie nun.
    «Meinst du nun nicht auch, dass es Mord war?», fragte Hella nach einer ganzen Weile.
    Der Richter schwieg. Das war so ungewöhnlich, dass Hella ihn am Arm zog. «Du, ich rede mit dir.»
    Blettner nickte, führte seine Frau durch das Stadttor, schwieg aber noch immer. Erst als sie vor ihrem Wohnhaus angekommen waren, sagte er: «Dieser Tod ist verzwickt,Hella. Ich muss darüber nachdenken. Der Voss ist hin. So oder so. Wie aber bekommen wir den Mörder zu fassen? Und wo sollen wir ihn überhaupt suchen?»
    «Oder sie», gab Hella zu bedenken.
    «Ja. Oder sie. Wenn es denn Mord war.»
    Er wandte sich um, ging die Straße hinab, hob noch einmal die Hand und winkte seiner Frau zu. Er wollte gerade um die Ecke verschwinden, da fiel Hella etwas ein. «Heinz», schrie sie, «Heinz, warte auf mich!», und lief ihm hinterher.
    «Was ist denn noch?»
    «Die   … die Gewandschneiderin», keuchte Hella und hielt sich die Seiten. «Sie hat gesagt, er hätte einen ledernen Beutel bei sich gehabt. Und einen Rosenkranz. Habt ihr etwas davon unter dem Galgen gefunden?»
    Richter Blettner stutzte: «Einen Beutel? Einen Rosenkranz? Nein.» Er kratzte sich am Kinn. «Wir haben nicht danach gesucht, wir wussten doch nichts davon.»
    Hella straffte ihren Rücken. «Ich werde, wenn du erlaubst, zum Scharfrichter gehen. Jetzt gleich. Ich werde die Kleidung des Toten kontrollieren. Vielleicht finde ich etwas. Und du musst noch einmal jemanden zum Galgen schicken, damit er den ledernen Beutel sucht.»
    «Mir wäre es lieber, du gingst zum Galgen. Ich habe es nicht gern, wenn du mit dem Scharfrichter Umgang hast.»
    «Ach was. Der Henker ist ein anständiger Mann. Was kann er für seinen Beruf? Sein Vater war schon Scharfrichter, und sein Sohn wird wieder einer sein. So, wie mein Vater Richter war, mein Mann Richter ist und unser Sohn Richter sein wird.»
    Blettner lächelte. «Ja, ein Sohn.»
    Dann nahm er Hellas Gesicht in beide Hände und küsste sie auf den Mund. «Bis heute Abend, mein Herz.»
    Hella schlug den Weg zur Liebfrauenkirche ein.
    Gustelies war im Pfarrgärtchen beschäftigt und zupfte an ein paar Blättchen herum. «Schau, den Thymianstrauch habe ich gut über den Winter gebracht, nicht wahr? Es war an der Zeit, dass er aus dem Keller hinaus an die frische Luft kam.»
    «Mutter!», wurde sie von Hella unterbrochen. «Mutter, du musst mir helfen. Es geht um Mord!»
    «Um Mord?» Gustelies ließ die kleine Hacke fallen und raffte sich auf. «Wer ist diesmal getötet worden? Etwa der Gewandschneider? Hat dein Mann die Vossin schon verhaften lassen? Oder war sie es am Ende gar nicht? War es der Altgeselle? Jetzt rede doch, Kind.»
    «Du lässt mich ja nicht zu Wort kommen. Ja, der Gewandschneider lag unter dem Galgen. Genau wie die Hure. Und wieder hing ein Hund oben am Balken.»
    «Also Mord!»
    «Sieht ganz so aus.»
    Gustelies warf noch einen bedauernden Blick auf ihr Thymiangewächs, dann lief sie ins Haus und war wenige Minuten später zum Ausgehen bereit.
    «Zuerst zum Henker», bestimmte sie. «Sein Haus liegt auf dem Weg zum Galgen.»
    Sie fasste ihre Tochter bei der Hand und zog sie hinter sich her. Als sie den Römerberg überquerten, auf dem Markttag abgehalten wurde, hielt man sie von allen Seiten fest. «Stimmt es, Blettnerin, dass der Gewandschneider gefunden wurde?», rief ihr eine Krämerin zu.
    Ein Mann wollte wissen: «Was ist jetzt mit dem, der hingerichtet werden sollte. Wird er begnadigt?»
    Hella antwortete nicht, sondern ging schnurstracks

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