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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ist, aber die Frage hat sich von selbst beantwortet. Nur eines sagt mir: Was trug der Eure am Tag, an dem er verschwand?»
    Die Vossin schob sich die Haube zurecht. «Was er trug? Nun, eine Bruche wie jeder anständige Mensch, dazu ein Beinkleid aus grauem Tuch, ein Leinenhemd in Reinweiß, darüber ein Wams, ebenfalls aus grauem Tuch. Er hatte seinen Umhang aus dem guten englischen Stoff an, der am Kragen mit Marderpelz abgesetzt ist. Auf dem Kopf trug er das passende Barett dazu.»
    «Hatte er eine Tasche bei sich?»
    Die Gewandschneiderin überlegte. «Eine Tasche nicht, aber einen ledernen Beutel.»
    «Schmuck?»
    «Nun ja, er besitzt einen Siegelring. Manchmal trägt er ihn, ein anderes Mal nicht. Aber einen Rosenkranz wird er in der Tasche haben, die Perlen aus feinstem Alabaster. Warum fragt Ihr?»
    Hella kniff die Augen zusammen, betrachtete die Frau so genau, als wollte sie sie malen. Sie sah das schmale Gesicht mit den dünnen, blassen Lippen, die wie ein Kreidestrich im Gesicht der Vossin lagen. Sie sah Augen, die müde warenund noch einen Rest des Veilchens aufwiesen, welke Haut, die nicht vom Alter, sondern von der Traurigkeit schlaff geworden war. Aber sie sah auch die Nase, die spitz nach vorn ragte und an einen Vogelschnabel erinnerte.
    Hella hatte den Blick schon fast abgewandt, da hielt sie etwas fest. Sie sah genauer hin, sah der Vossin direkt in die Augen. Die flatterten, hielten ihrem Blick nicht stand, sodass die Vossin den Kopf senkte.
    «Ist noch was?», fragte die Gewandschneiderin.
    «Nein. Wenn Ihr nichts mehr habt   …»
    Die Vossin schüttelte den Kopf und verschwand wortlos im Haus.
    Hella aber ging direkt zum nächsten Mietstall, holte sich ein Pferd und ritt hinaus zum Galgenberg. Als sie dort anlangte, waren ihr Mann, der Medicus und der Scharfrichter noch beschäftigt. Sie umstanden den Toten, der auf dem Boden lag. Genau im Schatten des Kreuzes. Am Balken hing ein Hund. Nicht der, den Hella vorgestern gesehen hatte. Nein, es war ein anderer Hund. Langsam trat sie näher. Ganz leise. Trat hinter die Männer, die sie nicht bemerkten.
    «Ich kann an dem Toten kein Zeichen von Gewalt entdecken», sagte der Stadtmedicus. «Richter, Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, könnt mich die Leiche noch zehnmal drehen lassen, da ist nichts.»
    «Was ist mit Gift?»
    Der Medicus zuckte mit den Achseln. «Kein Anzeichen. Kein ungewöhnlicher Geruch, kein Schaum vorm Mund, keine schwarze Zunge.»
    «Trotzdem könnte es Gift gewesen sein», stellte der Scharfrichter fest. «Es gibt viele Arten, die man nicht bemerkt, weil sie im Inneren wirken. Bei dem hier kann’s wasanderes sein, wenn es denn der vermisste Gewandschneider ist. Hab gehört, dass der Schulden hatte, hab auch gehört, dass er eine Magd geschwängert hat, deren Vater ihn wegen Ehebruchs vor Gericht bringen wollte. Besonders, da der Gewandschneider die Magd zu sich ins Haus geholt hat. Und die Franzosenkrankheit soll er gehabt haben.»
    «Was willst du damit sagen, Henker?»
    «Nichts. Nur, dass ich auch zum Galgen gegangen wäre, wenn ich so ein Leben hätte.»
    «Von der Franzosenkrankheit habe ich nichts bemerkt. Ich wünschte mir, manch einer, der einem anderen die Syphilis angedichtet hat, würde wenigstens die Mundfäule kriegen davon», warf der Medicus ein.
    Der Richter kratzte sich am Kinn, wandte sich um und erblickte seine Frau. «Was machst du denn hier?»
    «Sagen wollt’ ich dir, was der Gewandschneider getragen hat am Tage seines Verschwindens. Die Vossin hat’s mir erzählt.»
    Sie trat näher zur Leiche. «Es sind die Sachen, die die Gewandschneiderin beschrieben hat. Er muss es sein.»
    Dann wandte sie sich an ihren Mann. «Es war Mord, nicht wahr?», und deutete mit der Hand auf den Hund.
    Der Richter wiegte den Kopf. «Das ist noch nicht entschieden. Ich muss darüber nachdenken. Wann genau ist der Mann gestorben?»
    Der Medicus wiegte den Kopf hin und her. «Lange ist er noch nicht tot. Gestern, denke ich, gestern im Laufe des Abends. Die Totenstarre ist noch voll ausgebildet.»
    Der Richter nickte. «Henker, nimm du den Kerl mit und warte, bis ich dir sage, wie wir mit ihm verfahren.»
    Hella hatte sich neben den Toten gehockt und betrachtete sein Gesicht.
    «Was ist? Siehst du dort etwas Bestimmtes?», fragte der Richter und hockte sich neben seine Frau.
    «Da, sieh! Er hat um den Mund und um die Nase rotbraune Flecken. Sie sehen wie Abschürfungen aus.»
    «Schon die Hure hatte diese Flecken», staunte

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