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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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das Zeug aber gehörig.›
    Die Gesellen blicken sich an, machen dem Lehrjungen ein Zeichen, doch der sieht und hört nichts. ‹Der Stoff muss noch behandelt werden›, erklärt mir der Knabe. ‹Man muss ihn mit einer Mischung aus Maisstärke und Wasser tränken. Dann bleibt er glatt.›
    ‹Ja›, sage ich. ‹Bis zur ersten Wäsche.›»
    Die Geldwechslerin sah zu Hella und Gustelies und prüfte, ob sie auch deren ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, dann fuhr sie fort: «Nun weiß ich nicht, wie ihr das handhabt, ich aber wasche meine Oberkleider höchstens zweimal im Jahr. Alle, die ich kenne, halten es so», erklärte die Geldwechslerin.
    «Ich mache es ebenso», erklärte Gustelies. «Das Oberkleid, welches ich am Sonntag in die Kirche und sonst an Feiertagen trage, das wasche ich nur einmal im Jahr. Im Sommer zumeist, damit es rasch trocknet.»
    «Ich auch», fügte Hella hinzu. «Die Unterkleider und Bruchen jedoch, die kommen häufig ins Wasser.»
    «Na also», machte die Geldwechslerin und lehnte sich bequem auf der Küchenbank zurück, schielte mit einem Auge nach der Nussspeise. «Wenn ich nun aber Geld habe für ein Oberkleid aus englischem Tuch, dann habe ich auch Geld für eine Wäscherin. Ihr gebe ich die Schuld, wenn das Kleid nach der Wäsche an mir hängt wie ein Lappen. Sie hat es verdorben, nicht wahr?»
    «So ist es», bestätigten Gustelies und Hella wie aus einem Mund.
    «Nun, die Gesellen waren sehr beschäftigt, saßen im Schneidersitz auf dem Tisch, den Mund voller Nadeln, und stichelten wie wild. Der Lehrbub wurde nach Wasser geschickt. Da bückte ich mich und hob einen heruntergefallenes Stück des guten Stoffes auf.»
    Sie wühlte in ihrer Rocktasche und brachte ein graues Läppchen zum Vorschein.
    Gustelies nahm es zwischen die Finger. «Das ist kein englisches Tuch», stellte sie fest. «Viel zu weich ist es. Das sieht doch ein Blinder.»
    «Nun, im Augenblick ist es noch nicht gestärkt. Der Stempel, den der Ballen trug, sagte eindeutig, dass es sich um Tuch von der Insel handelt.»
    «Was willst du damit sagen, Jutta?», fragte Gustelies.
    Die Geldwechslerin verschränkte die Arme vor der Brust. «Nichts eigentlich. Nur, dass ich den Amedick dann bat, für mich englisches Tuch für einen neuen Umhang zu besorgen. Er zeigte mir einen glatten, weichen Stoff, der sich ein bisschen steif anfühlte. Dann führte er mich zu einem Ballen und zeigte auf den Stempel, der eindeutig England auswies.» Die Hintererin sah erwartungsvoll in die Gesichter der beiden Frauen. «Versteht ihr? Seht ihr, worum es hier geht?»
    Hella schüttelte erst den Kopf, dann nickte sie. «Wollt Ihr damit sagen, dass Amedick betrügt? Dass er gutes englisches Tuch anpreist, dann aber ein minderwertiges von anderswo vernäht?»
    «Genau das will ich sagen. Vielleicht kauft er sein Tuch aber tatsächlich in England, nur dann eben schlechtere Ware.»
    «Hm», überlegte Gustelies. «Dass die Handwerker betrügen, wo sie nur können, ist nicht neu. Was aber hat das mit dem Gewandschneider zu tun?»
    «Das müsst ihr herausfinden», stellte die Geldwechslerin fest, stand auf, ging zum Herd und spielte mit dem Kochlöffel herum. «Ob das Mus schon fest ist? Mir schien vorhin, es wäre zu wenig gesüßt.»
    Gustelies seufzte, nahm die Schüssel vom Tisch und füllte sie mit Nussmus. «Da, du Gierschlund. Das ist aber die letzte Portion. Pater Nau und Richter Blettner wollen auch noch davon haben.»
    «Dem Pater kannst du die Welt nicht versüßen, sie bleibt für ihn ein Jammertal, und der Richter ist fett genug», stellte die Geldwechslerin fest und begann zu löffeln.
    «Vielleicht», sagte Hella plötzlich, «hat der Gewandschneider Voss Amedicks Betrug herausbekommen und ihm mit Anzeige gedroht? Fest steht doch, dass Amedick und Voss Streit hatten.»
    Die Geldwechslerin nickte. «So ist es», bestätigte sie. «Sie konnten sich auf den Tod nicht leiden. Als ich Amedick fragte, wie sich die Zunft zum Ableben des Mitgliedes Voss verhält, rümpfte er nur die Nase. ‹Ich kann nicht finden, dass der Sensenmann den Falschen geholt hat›, hat der Zunftmeister geknurrt. Ich erwiderte: ‹Vorsicht, Amedick, über einen Toten nichts Schlechtes, selbst wenn es sich um einen Mann handelt.›
    Amedick hat lachend abgewinkt und gemeint: ‹Ihr habt recht. Was sollen wir über alte Geschichten reden? Jetzt herrscht wieder Ruhe in der Zunft, und das ist das Wichtigste.›
    ‹Werdet Ihr die Vossin nicht unterstützen?›, fragte ich

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