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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Selbstmord über seine Familie bringt. Einen Abschiedsbrief zu schreiben!» Der Richter schlug sich vor die Stirn. «Wie kann er so etwas tun? Er stürzt damit seine ganze Familie in den Ruin. Niemand wird mehr etwas von ihnen kaufen. Schließlich hat das Familienoberhaupt eine Todsünde begangen, die, wenn es möglich wäre, auch mit dem Tode bestraft würde, da bin ich ganz sicher!»
    «Er hat seine Frau geschlagen, Heinz. Das spricht nicht gerade von großer Liebe. Vielleicht wollte er ihr wirklich schaden», warf Hella ein und gab erneut eine Handvoll Nüsse in den Mörser.
    «Jetzt iss erst einmal», befahl Gustelies und setzte ihrem Schwiegersohn eine heiße Pastete vor. «Essen hält Leib und Seele zusammen. Wie willst du einen Fall aufklären, wenn dir der Magen knurrt?»
    Heinz nickte. «In dieser Hinsicht, Schwiegermutter, bist du die Einzige, die mich so recht versteht.» Lächelnd machte er sich über die Pastete her.
    Plötzlich fiel Hella etwas ein. «Habt ihr die Handschrift überprüft? Ist das Schreiben tatsächlich vom alten Voss? Oder kann es sein, dass ihm jemand das Papier später untergeschoben hat, um der Familie zu schaden?»
    Richter Blettner winkte ab. «Längst passiert. Die Schrift ähnelt der seinen. Sehr sogar. Nur die Unterlängen sind etwas kürzer. Er war in seelischer Not. Kein Wunder, dass die Unterlängen kürzer sind.»
    Hella hatte die Nüsse fertig gerieben, Gustelies stand am Herd, rührte Eidotter und Safran in die süße Sahne. Das steif geschlagene Eiweiß stand neben ihr.
    «Rieche ich etwa Nussmus?», fragte Blettner, stand auf und stellte sich hinter Gustelies. «Oh, wie das duftet!»
    «Finger weg!»
    Gustelies gab ihrem Schwiegersohn einen Klaps auf die Finger, dann sagte sie: «Die Geldwechslerin Jutta wird gleich kommen. Frauengespräche, Heinz. Es ist besser, wenn du jetzt wieder ins Amt gehst. Heute Abend bringt Hella dir eine große Schüssel von dem Mus mit.»
    Heinz sah leicht betrübt zu seiner Frau.
    «Jutta Hinterer kommt», wiederholte Hella, und der Richter verzog das Gesicht.
    «Dann gehe ich nicht nur, dann laufe ich. Dieses Weib macht selbst den Leibhaftigen mundtot. Wenn ich ihr begegne, so bin ich hinterher immer vollkommen erschöpft. Dieses Weib, so wahr ich hier stehe, ist wahrhaftig des Teufels schärfste Waffe.»
    Gustelies lachte, und auch Hella stimmte mit ein, dann brachte sie ihren Mann zur Tür.
    Gerade rechtzeitig, denn von unten, aus der Neuen Kräme, kam die Geldwechslerin heran. «Seid gegrüßt, Richter!», rief sie fröhlich, sah ihn ohne Scheu an und zwinkerte ihm zu. Blettner lüpfte sein Barett, wünschte artig Gottes Segen und eilte davon, so schnell ihn seine Beine trugen.
    «Nun sind wir ganz unter uns», teilte die Geldwechslerin mit, ließ sich auf die Küchenbank plumpsen und schnupperte. «Ich glaube, das Mus muss verkostet werden», stellte sie fest. «Gib mir mal gleich ein Schüsselchen davon, Gustelies. Und füll es recht voll.»
    «Es ist heiß und noch gar nicht fest», jammerte Gustelies und hielt den Kochlöffel im Arm wie ein Neugeborenes.
    «Ebendeshalb. Sei froh, dass du mich hast. Wenn ich jetzt einen Mangel entdecke, kannst du ihn noch beheben, ehe die Männer etwas davon merken.»
    Sie klopfte mit dem Finger auf den Küchentisch, und Gustelies seufzte und füllte ein Schüsselchen.
    «Köstlich!», schmatzte die Geldwechslerin. «Viel zu schade für das Mannsvolk. Es müsste Gerichte für Männer geben. Distelgemüse vielleicht. Oder Rosendornensalat, und für uns das Rosenöl und die Blüten.»
    «Ich bin keine Giftköchin», knurrte Gustelies, doch die Geldwechslerin lachte nur. «Das ist ja das Elend, meine Liebe. Was meinst du, wie viele Probleme auf diese Art gelöst werden könnten?»
    Jutta Hinterer aß schmatzend weiter, schob schließlich die Schüssel von sich und wischte sich mit dem Handrücken den Mund sauber.
    «Also, jetzt zum Geschäftlichen. Ich komme gerade von Amedick. Seine Magd führt mich in die Werkstatt, darin sind nur die Gesellen und der Lehrbub. Ich sehe mich ein wenig um, greife dann zu einem Stoff, der auf dem großenTisch liegt und aussieht wie bestes englisches Tuch. Ich greife hin, befühle den Stoff zwischen den Fingern, und siehe da, er knitterte ganz schrecklich. ‹He, du›, frage ich den Lehrbuben. ‹Was ist das für ein Stoff?›
    Der Lehrbub schaut ehrfürchtig und spricht: ‹Englisches Tuch. Feinste Ware, beste Beschaffenheit.›
    ‹Aha›, sage ich. ‹Dafür knittert

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