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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Flüstern.
    «In Ewigkeit. Amen!»
    Der letzte Hieb schlug sie vom Schemel. Zusammengekrümmt lag sie auf dem Boden, hielt mit den Händen die Knie umfangen und atmete stoßweise.
    Der Pfarrer stellte die Peitsche in die Ecke und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann hob er die Kerze auf, die beim Sturz verloschen war, stellte sie in den Leuchter und zündete sie an. Er beugte sich über das Mädchen und trocknete ihm die Stirn mit einem Tuch. «Pst», machte er. «Pst. Alles ist gut.»
    Dann hob er sie auf seine Arme und trug sie in ihre Kammer. Aus einer Truhe holte er ein Daunenkissen und schob es ihr als Polster unter.
    «Schlaf jetzt, mein Kind!», flüsterte er. «Und lass dir den heutigen Abend eine Lehre sein. Das Weib ist schlecht von Anbeginn. Aber selig der, der es auf den rechten Weg führt.»

Kapitel 13
    «Amedick also. Wir müssten vor Jutta bei ihm sein und ihn befragen. Am besten mit einem richterlichen Schreiben, doch das bekommen wir nie.» Hella sah auf die große Sonnenuhr, die am Römer angebracht war, und zuckte mit den Schultern.
    «Lass, Kind. Jutta kennt Amedick schon lange. Sie machen Geschäfte miteinander. Es ist besser, sie geht zu ihm. Er vertraut ihr, und deshalb wird sie viel eher etwas von ihm in Erfahrung bringen, als wir es könnten. Jetzt gehen wir erst einmal und machen das Nussmus.»
    Die beiden Frauen liefen die Neue Kräme hinauf und kamen zum Liebfrauenberg. Der Platz war mit Abfällen übersät, denn am Vormittag war hier Markt gewesen.
    Gustelies stieg über einen fauligen Kohlkopf, ging um eine Ladung Pferdeäpfel herum und fauchte einen Hund an, der an einer toten Ratte nagte.
    Die Sonne schien kräftig, sodass sie sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn wischte. «Irgendwie ist mir nicht wohl bei der ganzen Geschichte», sagte sie zu ihrer Tochter. «Ich habe den Eindruck, da gibt es etwas, das wir nicht wissen. Der Schlüssel fehlt uns sozusagen, um das Ganze zu verstehen.»
    Im Pfarrhaus war es kühl. Als die beiden Frauen in die Küche kamen, sahen sie eine geöffnete Vorratskammertür, vor der nur die untere Hälfte von Pater Nau zu sehen war.
    «Onkel Bernhard, wie geht es dir? Und Gott zum Gruße!», rief Hella.
    Nun erschien auch die obere Hälfte des Paters. «Wie soll es mir gehen, mein Kind? Die Erde ist ein Jammertal. Und heute hat deine Mutter sogar versäumt, mir das Mittagsmahl zu bereiten. Es ist ein Graus, das ganze Leben ist ein Graus.»
    Hella lachte, dann wies sie auf Gustelies, die gerade mit einer Pfanne hantierte. «Es gibt Pastete, Onkel Bernhard. Und am Abend ein Nussmus.»
    «Nussmus? Stimmt das?»
    Gustelies nickte.
    «Oh, die Freude meiner späten Tage. Aber jetzt muss ich mich eilen. Meine Arbeit wartet», sprach Pater Nau und verschwand aus der Küche.
    «Er wird schon wieder über seinen theologischen Streitschriften hängen. Manchmal scheint mir, der Mann empfindet gar keinen Hunger. Er isst nur, damit ich eine Berechtigung in seinem Hause habe. Der Herr ist es in Wirklichkeit, der ihn nährt.»
    Hella lachte prustend, bis ihre Mutter sie zur Ordnung rief.
    Dann verschwand Gustelies in der Vorratskammer, kam mit einer Schüssel Haselnüsse zurück. «Hier! Die musst du mir zerreiben. Aber ordentlich! Ein Mus ist etwas Sanftes, Zartes. So etwas wie ein junges Mädchen. Große Nussstücke stören darin wie eine Warze auf einem Jungfrauenantlitz.»
    Hella wollte schon wieder lachen, verkniff sich aber jeden Kommentar, holte den Mörser und zerstampfte brav die ersten Nüsse.
    Als es klopfte, sah Gustelies kurz hoch, rührte dann weiterin der süßen Sahne. «Das wird der Deine sein. Mach ihm auf, Hella. Ich erwärme unterdessen die Pastete.»
    Sie hatte recht. Vor der Tür stand der Richter.
    «Wie siehst du denn aus?», fragte Hella entsetzt und zog ihren Mann ins Haus und in die Küche, drückte ihn auf eine Bank und holte ihm einen Becher mit verdünntem Wein.
    Der Richter war blass, die Augen von dunklen Ringen umgeben. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn. Als er getrunken hatte, fragte Hella noch einmal: «Also, was ist los?»
    Der Richter seufzte. «Dieser Fall des Gewandschneiders bringt mich um meine Seelenruhe. Irgendetwas ist da faul, ich kann es riechen, aber ich weiß nicht, was.»
    «Glaubst du an einen Selbstmord?», fragte Hella.
    «Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Einerseits scheint es verständlich, dass er den Tod sucht, auch wenn das eine Sünde ist. Andererseits weiß er doch, welche Schande ein

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