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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Vielleicht stammt der Stoff aus ihren Webereien.»
    Hella nickte, dankte, grüßte und wandte sich an Gustelies. «Wir müssen bei den Händlern aus dem Osten nachfragen. Komm!»
    Sie fasste ihre Mutter beim Ellbogen und wandte sich um. Doch plötzlich packte sie Gustelies’ Arm fester und zog die Mutter hinter eine Säule.
    «He, was soll das? Hör auf, an mir zu zerren, als wäre ich ein Ziegenbock», schimpfte Gustelies.
    «Still», raunte Hella. «Da geht Amedick. Ich will sehen, mit welchen Händlern er redet.»
    Gustelies riss sich los und trat hinter der Säule hervor. «Dazu müssen wir uns nicht verstecken. Lass uns einfach wie vorhin die Gänge entlanggehen. Wer sich versteckt, macht am Ende nur auf sich aufmerksam.»
    Nun kam auch Hella hinter der Säule hervor. Die beiden Frauen schlenderten langsam bis zu Amedick, der sich gerade mit einem polnischen Tuchhändler unterhielt. Sie blieben am Nachbarstand stehen und begannen zu lauschen. Zum Glück sprach der Händler Deutsch, wenn auch nicht besonders gut.
    Amedick fragte: «Na, Jurek, sind die Ballen von guter Qualität? Ich brauche einfaches Leinen, dann mittelgutes und allerbestes.»
    «Ballen sind alle von beste Qualität. Ich mecht nicht wagen, schlechte Ware auszustellen. Hier, schau Ballen mit grine Stoff. Ist   … hmmm!» Er presste den Daumen der rechten Hand auf Zeige- und Mittelfinger, führte die Finger zum Mund und hauchte einen Kuss darauf.
    «Ich weiß, Jurek. Hast du auch von dem grauen, den du beim letzten Mal dabeihattest?»
    Der Pole schüttelte den Kopf, beugte sich nach vorn und flüsterte Amedick etwas zu. Hella bog den Körper zu den beiden hin, aber sie verstand nur wenige Worte. «Voss   … Ärger   … Betrug   … ehrlicher Mann», hörte sie Jurek sagen. Und Amedick erwiderte: «Voss   … tot   … keine Gefahr   …»
    Dann bemerkte der Zunftmeister Hella. «Nun, Blettnerin, sucht Ihr Stoff für eine neue Haube?»
    Hella schüttelte den Kopf und deutete auf ihre Mutter. «Einen neuen Umhang braucht sie. Von gedeckter Farbe soll er sein, schließlich arbeitet sie in einem Pfarrhaushalt.»
    Amedick betrachtete Gustelies von oben bis unten, dann sagte er: «Kommt einmal zu mir, gute Frau. Ich habe bestimmt das Passende in meinem Lager.»
    Gustelies brachte es fertig zu erröten. «Ist Euer Stoff auch nicht zu teuer?»
    Amedick lachte. «Ich bin immer froh, wenn ich einer hübschen Person wie Euch zu noch mehr Schönheit verhelfen kann. Um den Preis sorgt Euch nicht. Ich bin sicher, wir werden uns einig.»
    Dann griff Amedick nach Gustelies’ Hand und hauchte einen Kuss darauf. Gustelies lachte geziert, dann wandte sie dem polnischen Kaufherrn den Rücken zu, zeigte Amedick das Stoffstückchen und fragte: «Habt Ihr auch davon?»
    Amedick nahm das Läppchen zwischen zwei Finger, rieb daran. «Gutes englisches Tuch», sagte er. «Ihr seid eine Frau mit vornehmem Geschmack. Es wird mir eine Freude sein, für Euch zu arbeiten. Kauft nicht bei dem Polen hier. Er ist ein braver Mann, doch von Stoffen versteht er nichts.»
    Hella drängte sich dazwischen, zog ihre Mutter am Ärmel. «Wir müssen weiter», drängte sie. «Haben noch einige Wege vor uns.»
    Die beiden Frauen grüßten artig, Amedick bedachte sie beide mit seinem breiten Lächeln, dann gingen sie davon.
    «Nein, was für ein liebenswürdiger Mann», schwärmte Gustelies. «Hast du gehört, wie er mich genannt hat? Eine hübsche Person. Und eine Frau mit vornehmem Geschmack, jawoll!»
    Hella lächelte leise, dann erwiderte sie: «Das bist du auch, Mama. Du bist eine sehenswerte Frau. Aber du brauchst nicht den Schmeichler Amedick, um das zu wissen.»
    «Pater Nau sagt nie so etwas zu mir», beschwerte sich Gustelies.
    Hella lachte. «Das wäre ja auch noch schöner. Er ist Priester und deshalb von Berufs wegen blind, was weibliche Schönheit angeht.»
    Gustelies warf noch einen Blick auf Amedick und straffte die Schultern. «Wir müssen warten, bis er gegangen ist. Erst dann können wir mit dem polnischen Kaufherrn reden.»
    Die beiden Frauen schlenderten durch die Hallen, bestaunten Stoffe aus Brokat, Spitzen für die Hauben und kamen schließlich zu den Gewürzen. Gustelies, eben noch ganz und gar von Amedicks schöner Rede verzückt, vergaß alle Männer dieser Welt. Mit genießerisch geschlossenen Augen schnupperte sie in der Luft herum: «So muss es im Paradies riechen.»
    «Wie in einer Küche?», fragte Hella und schüttelte den Kopf. «Ich stelle mir das

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