Galgentod
muss euch sagen, dass ihr auf der falschen Spur seid. Ich war gestern beim Gerichtsmediziner. Bertram Andernach starb in der Zeit zwischen Mitternacht und ein Uhr. Zu der Zeit war Forseti in Wiesbaden. Er ist erst am nächsten Morgen ins Saarland zurückgekehrt.«
Damit brachte Schnur sämtliche Kollegen zum Lachen.
»Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Hausmeister an dem Verbrechen beteiligt war.« Damit übertönte er die Erheiterung der Kollegen. »Die Grausamkeit, mit der das Verbrechen durchgeführt wurde, könnte darauf schließen lassen, dass nicht nur ein Täter am Werk war.« »Und dann wartet der Hausmeister, bis alle Schüler den erhängten Lehrer sehen, bevor er eingreift?«, zweifelte Andrea.
»Damit könnte er Spuren beseitigt haben, ohne etwas dafür zu tun«, spekulierte Schnur.
»Für meinen Geschmack sah der Mann am Tag des Leichenfundes viel zu fertig aus«, hielt Erik dagegen.
»Okay! Das war wohl nicht gerade der hellste Moment in meinem Leben«, gab Schnur nach.
Amüsiertes Gemurmel entstand, bis Schnur weitersprach: »In Andernachs Blut waren weder Alkohol noch Drogen, nichts, was zu einer Bewusstseinstrübung geführt hätte. Auch gab es keine Verletzungen, die ihn bewusstlos gemacht hätten. Er wurde auf grausame Weise erhängt, das heißt, er ist langsam erstickt und bekam alles mit.«
»Was hat Bertram Andernach getan, dass er mit so viel Grausamkeit getötet wurde?«, fragte Andrea.
»Das ist die Frage, die ich als nächstes stellen wollte«, bekannte Schnur. »Wenn du so weitermachst, liebe Andrea, werde ich hier überflüssig.«
»Gönn mir doch diesen Geistesblitz.« Andrea zwinkerte ihm zu.
»Also – um beim Thema zu bleiben: Bertram Andernach. Ich habe nach dem Besuch der Gerichtsmedizin sämtliche Unterlagen über ihn besorgt. Und das sind nicht viele«, begann Schnur zu berichten. »Bertram Andernach lebte in einer Dachwohnung in der Saarlouiser Altstadt. Das Team der Spurensicherung ist noch dort. Ich werde ebenfalls dorthin fahren und mich umsehen. »
»Hat er allein gelebt?«
»Ja. Wie wir wissen, war Bertram Andernach zweimal geschieden und seine Ex-Frauen haben wieder geheiratet, sodass auch da kein Motiv zu finden ist«, antwortete Schnur. »Beide Ehen sind kinderlos geblieben. Von einer neuen Lebensgefährtin ist nichts bekannt. Es hat sich auch niemand bei uns gemeldet, um Anspruch auf das Urheberpersönlichkeitsrecht zu stellen, nachdem die enthüllenden Fotos und Filme ins Internet gestellt wurden.«
»Keiner schert sich um ihn«, stellte Andrea erschrocken fest.
»Da fragt man sich, was schlimmer ist …« Schnur nickte nachdenklich.
»Was hat die heruntergelassene Hose zu bedeuten?« Mit dieser Frage lenkte Anton das Thema wieder auf ihre Arbeit. »Sexualmord?«
»Ich habe diese Frage Frau Dr. Ina Knappe gestellt …«
»Wer ist das?«, fragten mehrere Beamte gleichzeitig.
»Das ist unsere Profilerin aus Wiesbaden – sie hat bei uns in Saarbrücken als Kriminalpsychologin angefangen und arbeitet jetzt für das Bundeskriminalamt«, antwortete Schnur.
»Und ist die Ex-Frau von Dieter Forseti«, fügte Esther vorlaut an.
»Was hat Dr. Knappe zu den heruntergelassenen Hosen gesagt?«, drängte Andrea auf eine Antwort.
»Sie hat sich die Videos angesehen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass hier kein Sexualmord vorliegt. Sie glaubt vielmehr, dass der Täter Rache verübt hat für eine Bloßstellung, die er selbst durch Bertram Andernach erlebt hat.«
»Das hört sich nun aber doch nach einem Schüler an«, erkannte Anton und rieb sich nervös über seine wuscheligen schwarzen Haare.
»Der grauhaarige Mann spricht aber gegen einen Schüler«, hielt Schnur dagegen.
»Vielleicht ein Lehrer-Kollege«, spekulierte Esther. »Oder der Vater eines Schülers. Oder ein ehemaliger Schüler.«
»Das hört sich nach verdammt viel Arbeit an«, murmelte Erik.
»Erik! Wenn ich mir dein müdes Gesicht so anschaue, fällt mir die Frage nach Mirna wieder ein«, lautete Schnurs Reaktion darauf. »Hast du etwas über sie herausfinden können?«
Erik wand sich unter seinem Blick und antwortete knapp: »Nein.« Auf keinen Fall wollte er von der Begegnung am letzten Abend vor seiner Wohnung berichten. Die Situation war ihm entglitten und dafür schämte er sich. Er hätte den Ausweis einfach aus der Hosentasche ziehen sollen. Der Gedanke beschäftigte ihn, seit er diese Gelegenheit verpasst hatte.
Schnur bemerkte seine Verfassung zum Glück nicht, sondern
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