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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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nicht erkennen konnte, ob sie über eine Lüge nachdachte oder über eine ehrliche Antwort.
    »Der Deutschlehrer gehörte zu den alten Säcken. Die halten immer gern etwas von alten Traditionen vor, wie Zucht und Ordnung. Andernach war da nicht anders. Er ist mit den Jahren immer unerträglicher geworden. Je mehr wir uns verändert haben, umso mehr hat er sich gegen uns gestellt. Ihm hat es so manch ein Schüler zu verdanken, dass er das Abi nicht geschafft hat. Der Tutor, der die Funktion des früheren Klassenlehrers übernimmt, hat Einfluss auf so was. Und wenn er dazu noch das Fach Deutsch unterrichtet, kann er das Weiterkommen seines Schülers schon beeinflussen. Ich war schon immer der Meinung, dass so viel Macht bei Andernach in den falschen Händen war. Es sind nämlich nicht nur die Unfähigen rausgeflogen oder freiwillig gegangen. Sondern auch echt gute Schüler.«
    Esther atmete tief ein. Das waren Schilderungen, die sie aus ihrer eigenen Schulzeit auch noch sehr gut kannte. Das klang ganz nach ihren eigenen Lehrern. Also hatte sich in diesem Berufsstand nicht allzu viel verändert – außer, dass heute dafür gemordet wurde.
    »Der Respekt ist in der heutigen Zeit wohl verlorengegangen«, meinte Esther. »Früher hatten wir Respekt vor unseren Lehrern. Da wäre niemand auf den Gedanken gekommen, einen von ihnen umzubringen und ihm die Hosen runterzulassen …«
    »Das hat sich Andernach selbst zuzuschreiben«, funkte Lara dazwischen. »Ich sagte doch, dass es seine Macke war, seine Schüler zur Schau zu stellen. Er hat keine Gelegenheit ausgelassen, uns vor der ganzen Klasse – manchmal sogar vor der ganzen Schule – zu blamieren, wenn wir uns mal dämlich drangestellt haben.«
    »Und wie hat er das gemacht?«
    »Ich hatte mal einen Deutschaufsatz total miserabel geschrieben. Bin halt keine große Leuchte in Deutsch.« Lara zuckte mit den Schultern. »Diesen Aufsatz hat er kopiert und als Mahnmal an das schwarze Brett gehängt.«
    Esther schnappte nach Luft. Deutlich sah sie in Lara Ferringer eine Verdächtige. War sich die junge Frau überhaupt bewusst, wie belastend ihre Aussage gegen sie selbst war?
    Lara spürte den Blick der Polizeibeamtin und lachte laut los mit der Bemerkung: »Hey, ich war’s nicht, okay? Ich habe nur ein paar Fotos von Andernach in seiner Glanzstunde gemacht, weil ich die Tat voll geil finde. Mehr aber auch nicht.«
    »Schon gut«, beschwichtigte Esther schnell. Trotzdem würde sie diesen Namen vormerken. »Du hast eben angesprochen, dass einige Schüler wegen Bertram Andernach das Gymnasium verlassen mussten.«
    Lara nickte.
    »Kannst du mir Namen dieser Schüler nennen?«
    »Das werde ich nicht tun«, gab Lara zu verstehen. »Ich bin nämlich nicht doof. Ich weiß genau, warum Sie diese Namen wollen. Sie wollen den Schülern, die ohnehin schon genug durchgemacht haben, auch noch mit Verdächtigungen auf die Pelle rücken.«
    Da hatte Lara Ferringer recht. Esther erkannte, dass diese hübsche Blondine keineswegs so blond war, wie sie aussah.
    »Aber selbst bringst du dich munter in die Schusslinie.« Den Spruch musste Esther loslassen, weil sie sich ärgerte.
    »Ich war nicht die Einzige, mit der er diese Zurschaustellung der schlechten Arbeiten gemacht hat. Ich sagte doch: sein Ding war es, jeden zu dissen, der mal ’ne schlechte Arbeit geschrieben hat.«
    »Wen hat er noch gedisst?« Esther bemühte sich, in der Sprache der Jugendlichen zu sprechen, damit sie sich nicht uralt neben Lara Ferringer fühlte.
    Lara lachte laut auf und fragte: »Sie geben nicht auf, was?«
    »Nein. Ich will Andernachs Mörder. Und du hast ein Motiv.«
    »Ich habe den alten Sack nicht erhängt. Wie sollte ich das anstellen? Der hätte mich schon k.o. geschlagen, bevor ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre.«
    »Es gibt Helfer. Und so wie du aussiehst, leidest du nicht an einem Mangel an guten Freunden.«
    »Stimmt! Aber wir treffen uns zum Chillen, nicht zum Töten.«
    »Dann gibt es die Behinderung der Justiz«, versuchte es Esther weiter, die gerne eine Antwort von dieser Blondine bekommen hätte.
    Lara schüttelte den Kopf, zündete sich die nächste Zigarette an und antwortete: »Geritzt, Mann! Sie geben nicht auf, was? Um an ihre Namen zu kommen, lassen Sie sich auf jeden Scheiß ein. Aber nicht mit mir.«
    »Meine Güte! Wenn ich in deinem Alter nur halb so schlagfertig gewesen wäre«, murrte Esther. »Da überlege ich doch ernsthaft, wer bei euch das Mitleid verdient hat: die

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