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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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hierherrufen. Ich schlage vor, ich spreche mit Dominik Jost und du mit Lara Ferringer.«
    Esther stimmte zu und sah Anton nach, wie er sich auf den Weg machte.
    Es dauerte nicht lange, schon kehrte Anton mit Dominik, dem Schulsprecher zurück. Die beiden waren so sehr in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie Esthers Anwesenheit nicht bemerkten. Also machte sie sich auf die Suche nach Lara Ferringer, der Sprecherin für die Oberstufe. Die junge Frau aufzutreiben war dabei die leichteste Übung, denn sie stand versteckt im Hof und rauchte. Esther stellte sich daneben und besah sich die Ecke genauer. Es war offensichtlich die Raucherecke, was die vielen Zigarettenkippen überall verstreut auf dem Boden verrieten.
    »Shit! Wer sind Sie?«, kreischte die junge Frau sofort los.
    Esther zog ihren Polizeiausweis hervor und hielt ihn Lara vor die Nase.
    Sofort verstummte Lara.
    »Weiß die Schule von diesem Platz?«, fragte Esther die blonde Frau, die in Trotzhaltung eine aufreizende Pose eingenommen hatte. Sie zog an ihrer inzwischen weit zurückgebrannten Zigarette und warf anschließend die glimmende Kippe zu den anderen auf den Boden.
    »Nein! Aber irgendwo müssen wir doch rauchen.«
    Esther schmunzelte, als sie den leidgeprüften Unterton in der Stimme der jungen Frau mitschwingen hörte. »Ja, ja! Die armen Raucher! Alle sind gegen sie, sogar die Regierung«, feixte sie, wofür sie einen bösen Blick erntete. »Ich habe früher auch geraucht«, bekannte Esther daraufhin. »Bei uns war der Rauchertreff das Klo.«
    »Im Sommer ersticken wir in den engen Räumen«, erklärte Lara. Es schien ihr plötzlich zu gefallen, in Esther eine Verbündete zu sehen. Kameradschaftlich bot sie ihr eine Zigarette an, die Esther auch annahm.
    »Heute rauche ich nur noch gelegentlich«, erklärte die Polizeibeamtin dazu. »Die Sucht habe ich hinter mir.«
    »Sie Glückliche.« Lara zog demonstrativ tief den Rauch ein. »Sie sind bestimmt hier, weil der Deutschlehrer umgebracht wurde.«
    »Ja. Wie war Bertram Andernach so?«
    »Er war ein Arsch«, antwortete Lara so emotionslos, dass Esther keinen Zweifel an der Antwort hegte. »Hat nur Scheiße gelabert.«
    »Was meinst du damit?«
    »Finden Sie es cool, jemanden zu dissen, nur weil seine Arbeit gerade mal nicht der Hit war?«
    »Hat er das öffentlich gemacht?«
    »Logo! Seine Sprüche gegen die Schüler sind voll der Hype, sie sind sogar im Internet festgehalten.«
    »Nenn mir doch mal einen!«
    »Zum Beispiel: Du brauchst deinen Kopf nicht abzustützen, Hohlkörper schweben frei im Raum.«
    Esther rümpfte die Nase.
    Lara zitierte weiter: »Oder: Wenn ich dir sagen würde, was ich an dir auszusetzen hätte, würden deine Eltern mich anzeigen. Oder: Geh mal Geld einsammeln, die Rotstifte für deine Klausur bezahl’ ich nicht mehr! Wollen Sie noch mehr hören?«
    »Das glaub ich jetzt nicht«, zweifelte Esther.
    »Das ist kein Hoax! Das ist voll wahr!«
    »Und wo sind diese netten Sprüche im Internet nachzulesen?«
    »Da gibt es eine Seite, die heißt spickmich.de . Dort stehen auch Sprüche von anderen Lehrern drin.«
    Esther schnappte nach Luft. Die Zeiten hatten sich geändert. Aber nicht wirklich zum Vorteil. Sie hatte sich früher im stillen Kämmerchen geschämt, wenn der Lehrer unverschämt zu ihr gewesen war. Damals wussten außer ihr noch ihre dreißig Klassenkameraden davon. Aber nicht die ganze Nation, die ins Internet geht.
    »Sie wirken echt geschockt.« Lara lachte. »Heute gibt es fast nichts mehr, was nicht ins Internet kommt. Was haben wir denn sonst noch, um uns zu amüsieren?«
    »Amüsieren auf anderer Leute Kosten«, präzisierte Esther. »Das ist nicht fair.«
    »Ich breche jetzt aber nicht in Tränen aus. Und schon gar nicht, weil Andernach auf vielen Internet-Seiten zu sehen ist, wie er mit runtergelassener Hose aussieht.«
    »Was er getan hat, reicht aus, euren Hass so zu schüren?« Esther war fassungslos. »Ich habe meine Lehrer auch nicht leiden können. Aber erhängen und Hose runterziehen wäre uns nicht in den Sinn gekommen.«
    »Naja«, lenkte Lara plötzlich ein. »Dafür können Sie uns nicht verantwortlich machen. Von uns sind nur die Videos. Der Hausmeister hat gepennt, nur deshalb sind wir so nah an Andernach herangekommen.«
    »Dass er euch gedemütigt hat, ist schlimm«, meinte Esther. »Aber rechtfertigt das wirklich so einen qualvollen Tod?«
    Eine Weile herrschte Stille.
    »Und die Zurschaustellung hinterher?«
    Lara überlegte, wobei Esther

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