Galgentod
Erik.
»Nein. Sie gehört gewissermaßen dazu.« Schnur schüttelte den Kopf. »Ich meine Yannik Hoffmann.«
»Ihn habe ich nicht gesehen«, gestand Erik.
»Er ist auf einem der Videos zu sehen. Und zwar, wie er selbst filmt.« Schnur setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Und was sagt uns das?«
»Dass er verdächtig ist?«
»Richtig. Denn er ist mit guter Filmausrüstung dort aufgetaucht. Und du hast selbst mitbekommen, dass er zusammen mit Mirna Voss übereilt losgefahren ist, als wir noch nichts davon wussten. Also war er schon lange vor uns darüber informiert, was an der Schule los ist.«
»Wäre er der Mörder mit der Absicht, seine eigene Tat zu filmen, wäre er in der Nähe des Tatortes geblieben und nicht nach Saarbrücken gefahren«, hielt Erik dagegen.
»Eben nicht. Wann konnte er seine eigene Tat besser filmen, als zu dem Zeitpunkt, als alle gefilmt haben? Hätte er schon in der Nacht einen Film gemacht, hätte er ihn für sich behalten müssen. Aber so konnte er filmen und es überall zeigen, ohne etwas zu befürchten.«
Erik überlegte kurz und musste zugeben, dass diese Theorie gut klang.
»Diese vielen DNA-Tests, die wir hier durchführen, sind vermutlich vergebliche Liebesmüh«, sprach Schnur weiter. »Jeder, der lachend und singend zu diesem Test kommt, hat nichts zu verbergen. Wir werden Yannik Hoffmann vorladen. Mal sehen, wie er reagiert.«
Schnur verließ das Büro.
Erik schaute ihm überrascht nach. Schnur hatte ihm keinerlei Anweisungen gegeben, was er jetzt tun sollte. Doch das Schrillen des Telefons lenkte ihn ab.
Es war Andrea aus dem Nachbarzimmer. »Manfred Dobler, der Englischlehrer, ist nicht zum DNA-Test gekommen«, sprach die Kollegin mit ihrer angenehmen Stimme durch den Äther.
»Darum rufst du mich vom Nachbarzimmer aus an?«
»Mir war der Weg einfach zu weit.«
Erik hörte die Ironie aus ihrer Stimme heraus und musste in sich hinein grinsen. Andrea war zwar die älteste Kollegin unter ihnen, steckte dafür aber voller Witz und Charme. Sie gefiel ihm mit jedem Tag besser.
»Dobler wurde auf dem Video in einer missverständlichen Situation gesehen. Und ausgerechnet er kommt nicht«, sprach sie weiter.
»Ich habe das Video auch gesehen und fand nichts daran missverständlich.«
»Da gehen wohl die Meinungen auseinander«, kam es gelassen von Andrea zurück. »Außerdem ist Dr. Norbert Franzen, der Schulleiter, ebenfalls nicht gekommen.«
Erik erinnerte sich an den hageren Mann, der alles immer doppelt sagte.
»Der hat Bertram Andernach bestimmt nicht umgebracht«, musste er dazu anmerken.
»Also widersetzen wir uns unserem Vorgesetzten, weil wir es besser wissen?«
»Hat Schnur gesagt, was wir jetzt tun sollen?« Damit wäre Eriks Frage von vor wenigen Minuten beantwortet.
»Zur Schule fahren, die DNA-Proben dort nehmen und mit beiden sprechen.«
Kapitel 29
»Es riefen die Boten, spornten die Rosse
und jagten wieder hinaus aus dem Schlosse.
Hinterher rollte des Ritters Fluch:
Bruder ruf den Teufel zum Bunde.
Webt eurem Herrn schon das Leichentuch.
Kaum war der Rufe im Winde verhallt,
trat in die Burg als finstre Gestalt
Der ›Junger Jörge mit dem Hinkebein‹
Präsentiert dem Ritter den Schein.«
Die Kinder amüsierten sich über das Gedicht, das Fred Recktenwald ihnen vortrug. Nur Mathilde Graufuchs bedachte ihn mit einem Blick, der töten könnte.
»Mehr hast du uns nicht über die Teufelsburg zu sagen?«
»Ich wüsste nicht, dass wir beim ›Du‹ sind«, begehrte Fred auf.
»Aber ich. Im Gegensatz zu dir leide ich nämlich nicht an Gedächtnisschwund.«
Fred stöhnte leise. Die Alte hatte ihn erkannt. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, ihr etwas Boshaftes an den Kopf zu werfen: »Damals schon. Sie hatten nämlich die Eigenschaft, ihre Schüler einfach aus dem Gedächtnis zu streichen.«
Mathilde Graufuchs funkelte ihn böse an, doch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, rief ein kleines vorlautes Mädchen mit roten Locken: »Geht der Vortrag noch weiter?«
Fred bückte sich zu der Kleinen hinunter und antwortete: »Natürlich. Würde eure Lehrerin mich lassen, würd ich euch auch noch den Rest erzählen.«
Damit gelang es ihm, Mathilde Graufuchs für eine Weile im Zaum zu halten. Er berichtete weiter über die Teufelsburg: »Die Burg ALTFELSBERG hatte ursprünglich auf dem Hansenberg gestanden – das ist das heutige Wallerfangen. Sie wurde erstmals am 18.10.1179 erwähnt. Außer Verteidigungsaufgaben diente sie der
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