Galgentod
Rahmen unserer Ermittlungen«, klärte Erik auf.
Dr. Franzen wirkte so enttäuscht, als habe er ernsthaft angenommen, das Verbrechen sei in der Kürze der Zeit aufgeklärt.
Erst als Erik auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen kam, nämlich eine Probe für die DNA-Analyse von ihm zu nehmen, wurde das Gespräch unangenehm.
»Sie vergessen, wen Sie vor sich haben! Wen Sie vor sich haben, junger Mann!«
Den jungen Mann hörte Erik natürlich gerne, den könnte er sogar noch öfter hören. Nur der Tonfall störte ihn.
»Wir haben die Anweisung von unserem Vorgesetzten bekommen, von Ihnen Material für die DNA-Untersuchung zu besorgen, damit wir Spuren, die womöglich von Ihnen stammen, im Untersuchungsverfahren ausschließen können.«
Im Gegensatz zu dem Schulleiter sah Erik plötzlich sehr verschwitzt aus. Das Gespräch gefiel ihm nicht. Dr. Norbert Franzens oberlehrerhaftes Gebaren ließ Erik unwillkürlich an seine eigene Schulzeit denken. Und darauf könnte er verzichten.
»Und warum kommt der Vorgesetzte nicht selbst? Der Vorgesetzte nicht selbst?«
»Weil er mitten in den Ermittlungen steckt.«
»Gehört Ihre unverschämte Bitte nicht zufällig auch zu den Ermittlungen? Zu den Ermittlungen?«
»Doch. Aber es lag uns fern, uns der Anweisung unseres Vorgesetzten zu widersetzen.«, ertönte Andreas ruhige, melodische Stimme. Dabei fixierte sie den hageren Mann mit ihren großen, mandelförmigen Augen.
Dr. Franzen räusperte sich und stimmte dem DNA-Test tatsächlich zu.
Erik und Andrea schauten sich erstaunt an. Beide hatten nach dem Beginn dieser Unterhaltung mit größeren Schwierigkeiten gerechnet. Umso erleichterter fühlte sich Erik, als er das Büro verlassen konnte.
»Ich sehe in Dr. Franzen eher ein Opfer als einen Täter«, bemerkte Andrea, als sie in den obersten Gang der Aula traten. Auf Eriks fragenden Blick fügte sie an: »Seine Wiederholungen treiben auch den geduldigsten Menschen in den Wahnsinn. Wer weiß, wie viele Anschläge er schon überlebt hat.«
Jetzt verstand Erik und lachte.
Sie schauten über die Brüstung auf die Aula hinab, die gerade von den Schülern erobert wurde. Das sah nach Pause aus.
»Wir müssen uns beeilen, sonst entwischt uns der Englischlehrer«, rief Andrea, um den Lärm zu übertönen.
Sie liefen die Treppe hinunter und stürzten sich in die Menge. Dort blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich mit der Masse in Richtung Ausgang treiben zu lassen. Doch das Glück meinte es gut mit ihnen. Im Schatten eines Baumes stand ein kleiner gedrungener, kahlköpfiger Mann, den sie nach den Videos bei Youtube als Manfred Dobler identifizierten.
Als er die beiden auf sich zukommen sah, schaute er sich nervös nach einem Fluchtweg um. Doch hinter ihm befand sich der Fahrradparkplatz, der überfüllt war mit Schülern, die gerade ihre Räder absperrten. Direkt neben ihm lag das Bistro.
»Wir sind von der Kriminalpolizei und müssen mit Ihnen sprechen«, rief Erik dem nervösen Lehrer entgegen.
Als Manfred Dobler diese Worte hörte, atmete er erleichtert aus.
»Was glaubten Sie denn, wer wir sind?«, fragte Andrea amüsiert.
»Sie glauben ja gar nicht, welche Hirngespinste in der Schule kursieren, seit ein Kollege umgebracht worden ist«, erklärte der Mann.
»Wir hatten Sie gebeten, zu uns ins Büro zu kommen, um eine Probe für den DNA-Test abzugeben«, erklärte Erik. »Warum sind Sie nicht gekommen?«
»Ich … ich …«, stotterte Dobler. »Der Unterricht.«
»Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann geben Sie uns jetzt und hier ein Probe. Wir müssen Ihre Spuren in unserem Ermittlungsverfahren ausschließen können«, ratterte Erik seinen Standardsatz herunter.
»Ja, natürlich«, willigte Dobler ein. »Sie wissen doch bestimmt, dass ich der Lehrer war, der die Schüler davon abgehalten hat, den Knoten zu öffnen, an dem der Kollege sozusagen hing?«
»Wir wissen nur, dass Sie sich am Montagmorgen mit einigen Schülern angelegt haben«, meinte Erik dazu. »Das haben wir auf den Videos gesehen.«
»Genau das meine ich«, bestätigte Dobler. »Das war der Moment, als die wilde Horde versucht hat, den Knoten zu öffnen. Kaum auszudenken, was dann alles passiert wäre.«
»Und Sie haben das allein verhindert?«
Dobler schien zehn Zentimeter zu wachsen, als er stolz nickte.
»Warum waren Sie der einzige Lehrer am Tatort?«, fragte Andrea.
»Ich weiß es nicht. Ich war vermutlich vor den Kollegen da. Gerade im Sommer komme ich gern etwas früher, um die
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