Galgentod
Schulräume zu lüften«, erklärte Dobler.
»Dazu müssten Sie aber vor den Schülern da sein.«
»Stimmt. Ausgerechnet an dem Morgen waren die Schüler schneller. Es ist wie ein Fluch. Der Hausmeister hat nicht aufgepasst, und ich hatte nur wenige Minuten Verspätung.« Dobler war nicht aus der Ruhe zu bringen.
»Kann jemand die Schüler verständigt haben?«, fragte Andrea. »Die Tatsache, dass sie alle ausgerechnet an diesem Morgen früher in der Schule waren, macht mich stutzig.«
»So habe ich das gar nicht gesehen«, gestand Erik. »Das würde bedeuten …«
»… dass womöglich ein Schüler hinter der Tat steckt«, vollendete Dobler den Satz.
»Glauben Sie das wirklich?«, hakte Erik nach.
Dobler stutzte, gab aber keine Antwort darauf.
»Dann trauen Sie den Schülern so eine Tat also zu?«, bohrte Erik weiter.
Dobler überlegte eine Weile, bis er sich aufraffte darauf zu antworten: »Nach dem, was sich in der Aula abgespielt hat, als der Deutschlehrer gefunden wurde … Ich schließe es nicht aus.«
»Das klingt so, als sei diese Schule ein gefährlicher Ort für Lehrer.« Andrea schnaubte.
Dobler nickte.
»Haben Sie keine Angst, es könnte auch Sie erwischen?«
»Nein.« Dobler straffte seine Schultern. »Ich habe mein eigenes Lehrkonzept. Das unterscheidet sich deutlich von den Lehrmethoden, die Bertram Andernach angewandt hat.«
»Welchen Unterrichtsstil praktizieren Sie?«
»Ich praktiziere den demokratischen Stil«, antwortete Dobler stolz.
»Können Sie uns das genauer erklären?«
»Gerne. Dieser Führungsstil dient dazu, Fragen zu stellen und Antworten zu geben, sich eine Meinung zu bilden, Gefühle zu äußern und sich einen Überblick zu verschaffen. Wie schon der Name sagt, gelten die Mehrheitsentscheidungen. Das hat den Vorteil, dass die Leistungsbereitschaft gefördert wird, weil für die Schüler ein hohes Maß an Gestaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheit besteht.«
»Das klingt gut«, gab Erik zu. »Mit dieser Methode sind Sie bestimmt beliebt bei den Schülern.«
»So beliebt, wie ein Lehrer eben sein kann.«
Die Antwort war so gut, dass Erik und Andrea lachen mussten.
Kapitel 31
»Boah! Woher wissen Sie das alles?«, fragte ein Schüler mit leuchtenden Augen, als Fred Recktenwald seinen Vortrag beendet hatte.
»Das ist doch nichts Besonderes, was dieser Mann uns erzählt«, schaltete sich Mathilde Graufuchs sofort ein, als widerstrebe es ihr, dass Fred von ihren Schülern Bewunderung erntete.
»Ich muss mich immer gut über die Teufelsburg informieren, weil viele Touristen kommen und alles von mir erfahren wollen«, antwortete Fred, wobei er versuchte, Mathilde Graufuchs’ Bemerkung zu ignorieren. Aber es brodelte in ihm. Er spürte eine große Wut, die er nur mit Mühe und Not vor den Kindern unterdrückte.
»Worüber musst du dich schon informieren?«, kreischte die Alte schon wieder dazwischen.
»Ich bitte Sie, das ›du‹ zu unterlassen. Die Zeiten, als ich noch ein Schüler war, sind lange vorbei«, sprach Fred in einem Tonfall, der ihn selbst überraschte. Was unterdrückte Wut alles fertigbrachte …
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich einen Versager wie dich mit Sie anspreche.«
Ein lautes Klappern lenkte alle von dem Streitgespräch ab. Dann hörten sie Schritte, die zwischen den alten Steinmauern verklangen.
»Da ist noch jemand auf der Burg«, stellte Mathilde Graufuchs atemlos vor Schreck fest. »Geh und sieh nach!«, befahl sie Fred wie einem Schuljungen.
»Sie werden es nicht für möglich halten, aber auf der Teufelsburg sind außer mir noch andere beschäftigt.«
»Und warum musste ich mich nach deinem Terminkalender richten, wenn auch andere den Vortrag halten können?«
»Weil ich der einzige Touristenführer bin. Außer mir kann keiner den Vortrag halten. Hier arbeiten noch Archäologen, die weitere Ausgrabungen machen, und Restauratoren, die die Burg instand setzen.«
Fred führte die Schulkasse durch enge, verschlungene Gänge der Teufelsburg und erklärte: »Ich zeige euch noch eine interessante Stelle, bevor ich euch eurer liebenswürdigen Lehrerin überlasse, weil die nächste Gruppe auf mich wartet.«
Ganz begeistert starrten alle auf das große Loch im Boden, das sich vor ihnen offenbarte, als Fred die hölzerne Abdeckung entfernt hatte.
»Dort wurden früher Lebensmittel gekühlt, weil man damals noch keinen Kühlschrank kannte.«
»Ein mittelalterlicher Kühlschrank«, jubelten die Kinder mit großer
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