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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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tiefgrün. Ich fuhr an Croaghan Heights vorbei, über die obere Straße, von der aus man einen Panoramablick hatte, der von Lifford bis weit in den Donegal hineinreichte. Unterwegs rauchte ich eine Zigarette und genoss die Aussicht hinab auf Peter Webbs Land und über die drei Flüsse bis nach Strabane, wo die fünf riesigen Metallskulpturen standen. Sie zeigten Tänzer und Musiker, und in der Junisonne erschien es so, als würden sie sich drehen und im Kreis umherspringen.
    Ich dachte über all das nach, was sich in den vergangenen Tagen ereignet hatte: den Mord an Karen Doherty, den Waffen- und Drogenfund, Kerrs Ankunft, die bevorstehende Beförderung innerhalb des Reviers und den Streit mit Patterson. Ein ungutes Gefühl hatte sich irgendwo in meinem Magen eingenistet und breitete sich wie eine Vibration durch den ganzen Körper aus, sodass meine Hände beim Rauchen leicht zitterten. Meine vergeblichen Bemühungen, die Gedanken zu ordnen, wurden von Burgess unterbrochen, der mir über Funk durchgab, dass James Kerr gerade in einem Restaurant am Fluss zu Mittag aß. Superintendent Costello verlangte, dass ich Kerr dort aufsuchte.
    Kerr saß zusammengesunken auf seinem Platz, hielt den Suppenlöffel in der Faust und beugte sich über die Schale, statt den Löffel zum Mund zu führen. Er trug noch immer dieselbe Kleidung, die er auch bei unserer ersten Begegnung getragen hatte. Seine Haare waren nicht mehr als ein Schatten auf seinem Schädel, doch sein Gesicht wies erste Bartstoppeln auf. Seine blaue Segeltuchtasche hing über der Rückenlehne seines Stuhls.
    Ich nickte der Kellnerin zu und bestellte einen Kaffee, als sie an den Tisch kam. Dann setzte ich mich Kerr gegenüber. Mir fiel auf, dass die meisten Mittagsgäste ein gutes Stück von Kerr entfernt saßen, obwohl das Restaurant gut besucht war. Vielleicht hielten sie ihn für einen Landstreicher. Ich ging davon aus, dass es sie ganz und gar nicht beruhigen würde, wenn ich ihren Eindruck korrigierte und ihnen erklärte, dass der Mann ein Ex-Häftling war.
    »Unter freiem Himmel übernachtet, James?«, fragte ich. Er grunzte etwas, löffelte weiter seine Suppe und hielt nur kurz inne, um mit dem Löffel einen Suppenspritzer vom Kinn zu kratzen. Der Rand des Löffels schabte leise über seinen feinen Bartwuchs. »Lassen Sie sich nicht stören«, sagte ich. Die Kellnerin brachte meinen Kaffee. Ich dankte ihr und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich mit der Zehn-Euro-Note sowohl den Kaffee als auch die Suppe bezahlen wollte.
    Kerr nickte in Richtung der sich entfernenden Kellnerin. »Danke«, sagte er.
    »Sie haben kein Geld bei sich, James, oder? Deshalb haben Sie nicht in dem Bed and Breakfast übernachtet – hab ich recht?«
    Er nickte erneut, riss ein großes Stück aus dem Brötchen, das zur Suppe gereicht worden war, und bestrich es dick mit Butter.
    »Wie wollten Sie das hier bezahlen?«, fragte ich.
    »Ich habe mir gedacht, dass einer von euch hier auftaucht und mich auslöst.« Er lächelte.
    »Und wo wohnen Sie?«
    Er sang unmelodiös: » Wherever I lay my head, that’s my home « – wohin ich meinen Kopf bette, dort bin ich zu Hause –, und widmete sich wieder seinem Essen.
    »Sie können nicht im Freien übernachten, James, das ist Ihnen doch klar?«
    »Und was wollen Sie jetzt machen – mich wegen Landstreicherei verhaften?«
    »Wenn Sie wollen. Sie können in einem trockenen Raum übernachten; das Frühstück ist nicht toll, aber zumindest gibt es Zimmerservice.«
    »Nein, danke, Inspector. Ich reise, so wie ich bin: Wenn jemand mir Essen und Obdach bietet, dann möge Gott ihn segnen. Wenn nicht, dann schüttele ich den Staub dieser Stadt von meinen Füßen und gehe.« Er sprach ohne jeden Anflug von Ironie, ohne Gespür für das Lächerliche seiner Worte. Dann blinzelte er treuherzig und fragte: »Kann ich auch einen Nachtisch bestellen?«
    Ich stand auf, um zu gehen. »James – um es mal so zu sagen: Ich soll Sie eigentlich aus der Stadt jagen. Das werde ich nicht tun, weil ich glaube, dass Sie sich gebessert haben. Bitte sorgen Sie dafür, dass ich mit meinem Vertrauen in Sie nicht falsch liege.«
    »Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen, Inspector. Ich möchte nur mit jemandem reden. Wenn ich das getan habe, gehe ich fort; das verspreche ich Ihnen.«
    »Würden Sie mir sagen, mit wem?«, fragte ich.
    »Nein. Aber ich möchte nur reden, sonst nichts.«
    »Keine Gewaltanwendung?«
    »Nicht von meiner Seite, Ehrenwort.« Er

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