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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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technische Abteilung in Letterkenny bitten, die Videoaufnahme zu bearbeiten, doch ich bezweifelte, dass man die Tätowierung deutlicher herausarbeiten konnte.
    Dann fragte Costello mich nach dem Fall Kerr – allerdings war mir bisher nicht bewusst gewesen, dass es sich um einen regelrechten Fall handelte. Als ich schließlich schon wieder gehen wollte, fragte Costello: »Was war da draußen los, Benedict? Zwischen Ihnen und Patterson?«
    »Nichts, Sir«, sagte ich.
    »Irgendwas mit Paddy Hannon?« Burgess hatte offenbar unsere Unterhaltung mit angehört und Costello darüber berichtet.
    »Ich habe ein Problem mit diesen Funden, Sir«, sagte ich und blickte ihn an. Er hielt meinem Blick stand. »Paddy Hannon rief mich gestern Abend an, Sir. Er hat behauptet, die Tüte mit dem Ecstasy, die wir gestern als Teil des Fundes auf Webbs Grundstück präsentiert haben, stamme in Wirklichkeit aus dem Vorrat, der vor einem Monat auf seinem Land gefunden wurde. Er behauptet, sie seien nicht in der Bestandsliste aufgetaucht, die man damals gemacht hatte. Er hat es nicht explizit gesagt, aber ich denke, er vermutet, dass irgendjemand – ein Polizist – sie auf Webbs Land deponiert hat. Und da Webb selbst bisher überhaupt noch nicht befragt worden ist, sieht das nicht allzu gut für uns aus.«
    »Paddy Hannon hat Ihnen das erzählt?«, fragte Costello und kaute auf der Innenseite seiner Wange.
    Ich nickte.
    »Das hat uns gerade noch gefehlt. Und dabei sah alles so gut aus.« Er rieb sich das Gesicht. »Hören Sie, Benedict, reden Sie mit niemandem darüber. Ich kümmere mich darum.«
    »Was …?« Doch dann verkniff ich es mir, den quälenden Verdacht zu äußern, dass Costello womöglich mehr über die beiden Funde wusste, als er zugab. »Ach, schon gut, Sir.«
    Abends erhielt ich, gleich nachdem ich die Kinder zu Bett gebracht hatte, einen Anruf von Williams: Man hatte Peter Webb festgenommen, um ihn zu den Waffen und Drogen zu vernehmen, die man auf seinem Grundstück am unteren Ende der Gallows Lane gefunden hatte.

6
    Donnerstag, 3.   Juni
    Peter Webb war Ende fünfzig. Zu Beginn der 1970er-Jahre war er aus Mittelengland in diese Gegend gezogen und hatte eine Stelle als Dozent für Sozialwissenschaften am Institute of Further Education angenommen, das in Strabane geschaffen wurde. Allerdings behauptete er, er habe sich nur für ein Leben in Donegal entschieden, weil seine Familie ursprünglich von hier stamme. Er lebte sich gut ein und kaufte ein kleines Stadthaus, Teil einer Häuserzeile im Zentrum von Lifford.
    Einige Jahre später lernte er eine junge Frau aus Belfast namens Sinead McLaughlin kennen und heiratete sie. Die Angehörigen von Webbs Frau waren irische Republikaner, doch sie selbst schien deren Empfindlichkeiten nicht zu teilen, und ihre Ehe mit Webb – einem englischen Protestanten – unterstrich dies. Webbs politische Einstellung war wie die vieler englischer Sozialisten, die nach Irland ziehen, ein wenig anti-englisch, weshalb die Einheimischen ihm mit umso größerem Argwohn begegneten. Die Einzigen, denen noch mehr Misstrauen entgegenschlägt als Engländern mit anti-irischer Einstellung, sind Engländer mit pro-irischer Einstellung.
    Webb war hochgewachsen und drahtig, sein Knochenbau war für einen schwereren Körper geschaffen, sodass er aussah wie jemand, der drastisch abgenommen hat. Sein einstmals braunes Haar war inzwischen größtenteils ergraut, ebenso sein sorgfältig gestutzter Bart. Zum Lesen benötigte er eine Brille, und er hatte die Angewohnheit, sie auf den Kopf zu schieben, wenn er sie nicht gerade brauchte, sodass sie nicht verloren gehen konnte. Das tat er auch jetzt, als er im Vernehmungszimmer saß, den Kopf schräg hielt und versuchte, die Namen und Initialen zu lesen, die andere Befragte auf die Wand neben ihm gekritzelt hatten.
    Patterson stand draußen vor dem Vernehmungsraum, hielt die Tür mit dem Fuß auf und sprach mit Costello. Colhoun saß bereits bei Webb am Tisch; seine geduldige Haltung bildete einen so deutlichen Kontrast zu Webbs gelassener Neugierde, dass ein zufälliger Beobachter unmöglich hätte sagen können, wer der Polizist und wer der Verdächtige war. Andererseits war Webb streng genommen ja auch kein Verdächtiger.
    Er wusste nichts, und ihm war bewusst, dass er keinen Grund zur Sorge haben musste. Mir fiel auf, dass Patterson die Vernehmung nicht einmal aufzeichnete. Ich hatte mit meiner Vermutung wohl ins Schwarze getroffen; man hatte Webb

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