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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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hob die rechte Hand und legte die linke auf seine Brust.
    Als ich ging, gab ich der Kellnerin weitere zwanzig Euro. »Bringen Sie ihm, was er will, und geben Sie ihm dann das Wechselgeld«, sagte ich. Ich wollte schon gehen, drehte mich aber nochmals zu ihr um. »Und wenn er geht, schicken Sie ihn in diese Richtung«, fügte ich hinzu und nickte Richtung Strabane.
    »Gott segne Sie, Inspector«, rief Kerr mir hinterher, als ich die Restauranttür öffnete. Ich sah mich nochmals um. Eine Familie an einem Tisch in seiner Nähe starrte ihn an; die Mutter hatte mit tiefer Abscheu das Gesicht verzogen, als hätte er etwas Obszönes gerufen. Er zwinkerte ihr zu, und die Familie zog an einen anderen Tisch um.
    Abends saß ich im Garten und beobachtete Frank, der mit einem Knochen spielte. Die untergehende Sonne überzog den Himmel mit einem rosafarbenen Licht, das die Wolken wie Zuckerwatte aussehen ließ und den roten Azaleenblüten einen dunkleren Farbton verlieh, wie Blut. Shane saß neben mir in seiner Babyschaukel, zappelte auf dem orangefarbenen Sitz hin und her und wiederholte immer wieder: »Gagga«; die kleinen Gesichtszüge drückten angestrengte Entschlossenheit aus. Debbie und Penny kamen heraus und setzten sich neben mich auf die Stufe, jede mit einer Schale Eiscreme, die sie mit mir teilten. Unser Haus liegt mehrere Meilen vom nächsten Nachbarn entfernt, so abgelegen, dass es jetzt bis auf das Summen der Bienen völlig still war. Debbie reichte mir lächelnd einen Löffel Eis. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte die Welt um uns herum ruhig menschenleer sein können. Penny drückte sich an mich und schmierte Eis von ihrem Gesicht in mein Hemd. Ich legte den Arm um sie und zerzauste ihr die Haare. Diese Zurschaustellung von Zuneigung war garantiert nur der Auftakt zu einer Bitte.
    »Was möchtest du, Liebes?«, fragte ich. Sie sah lächelnd zu mir hoch, die Milchzähne mit Erdbeersoße beschmiert, um den Mund einen Eisschnurrbart.
    »Ni-hichts!«
    »Und was möchtest du wirklich?« Ich zog eine Augenbraue hoch und musterte sie gespielt argwöhnisch.
    »Einen Hamster namens Harry«, sagte sie und grinste so breit, dass ihre Augen sich beinahe schlossen. »Bitte.«
    Ich sah Debbie an. Die zuckte die Achseln und stieß Shanes Schaukel an. »Mal sehen«, sagte ich.
    Penny drückte mein Bein und kuschelte sich an mich. »Danke, Daddy. Ich hab dich lieb!«
    »Ich hab dich auch lieb, Kleines«, erwiderte ich. Die Sonne stand dicht über den Bergen im Westen und überzog den Himmel mit einer Explosion aus Licht und Wärme, die Wolken hatten sich orange-rot verfärbt. In meinem Hals bildete sich ein Kloß, den ich auch durch Räuspern nicht loswurde.

7
    Freitag, 4.   Juni
    Als ich am nächsten Morgen im Auto saß und meine erste Zigarette rauchte, meldete Burgess über Funk, Sinead Webb habe auf der Wache angerufen und gesagt, sie habe einen Mann in ihrem Garten gesehen. Auf der Wache war niemand, der zu ihr fahren konnte, und da ich sonst nichts zu tun hatte, meldete ich mich freiwillig.
    Das Haus der Webbs lag am oberen Ende der Gallows Lane, doch man erreichte es von der Coneyburrow Road her über einen alten, von Rhododendren und Fingerhut gesäumten Kutschenpfad, der kaum breit genug für zwei Autos nebeneinander war.
    Das Haus selbst war zwar relativ neu, stellte zugleich aber nahezu ein Paradebeispiel postkolonialer Bauweise dar. Die vorderen Zimmer im ersten Stock, von denen ich vermutete, dass es Schlafzimmer waren, verfügten über Balkone mit Blick über das Grundstück; die Haustür wurde von geweißten dorischen Säulen eingerahmt, die einen scharfen Kontrast zu dem grellen Lachsrosa der Fassade bildeten. Die Tür selbst war zweiflügelig, bestand aus schwerem Mahagoni und wies dicke Messingbeschläge auf. Ich betätigte zwei Mal den Türklopfer, dann trat ich zurück und suchte an den Schlafzimmerfenstern im ersten Stock nach Anzeichen von Leben. Eine der gläsernen Schiebetüren des rechten Zimmers stand halb offen, und die Spitzengardine dahinter bewegte sich ein wenig in der morgendlichen Brise. Ich meinte, den Umriss einer Person zu erkennen, die herabblickte. Als die Person meinen Blick bemerkte, trat sie vom Fenster zurück. Dann hörte ich das Geräusch des Türschlosses, und Sinead Webb öffnete die Haustür.
    Mrs   Webb war jünger, als ich gedacht hatte, sie mochte zehn Jahre jünger als ihr Mann sein. Die braunen Haare trug sie kurz und ein wenig stachelig frisiert, im Nacken lief die

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