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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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klatschten. Dann setzte ein sintflutartiger Regenguss ein, der sich auf der Haut wie Nadelstiche anfühlte und laut auf das Dach unseres Gartenschuppens trommelte. Die Temperatur sank schlagartig.
    Ich ging in die Küche und rauchte meine Zigarette an der offenen Tür zu Ende, während Debbie irgendwo hinter mir missbilligend mit der Zunge schnalzte und sich über den Gestank beschwerte. So hatte ich keine Lust mehr auf die Zigarette und schnippte sie in eine Pfütze, die sich schon vor der Hintertür gebildet hatte. Die Glut zischte.
    »Wie geht’s Costello denn in letzter Zeit«, fragte Debbie und zog Frischhaltefolie über eine Schüssel mit Obstsalat, den sie für das Mittagessen der Kinder am nächsten Tag vorbereitet hatte.
    Ich erzählte ihr von meinem Gespräch mit ihm und der unausgesprochenen Drohung, wenn ich die Rechtmäßigkeit des Fundes anzweifelte, könnte ich mir selbst Schwierigkeiten einbrocken, wenn demnächst die Bewerbungsgespräche anstünden. »Was soll ich tun?«, fragte ich Debbie. »Wenn ich Patterson melde, wird es so aussehen, als ob ich ihn verpfeife, damit ich besser dastehe. Wenn ich es nicht tue, wird er todsicher befördert.«
    »Tu einfach, was du immer tust, Ben: Lass dich treiben.«
    »Ich lasse mich nicht treiben«, widersprach ich wenig überzeugend, setzte mich an den Tisch und sah ihr bei der Arbeit zu.
    »Dieses Sich-treiben-Lassen zieht sich durch dein ganzes Leben. Das soll keine Kritik sein. Alles wendet sich zum Besten – stell dich dem Lauf der Dinge nur selbst nicht in den Weg.« Sie tätschelte mir den Kopf und wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu. »Und jetzt zu den wirklich wichtigen Dingen: Wie wäre es mit einer Fußmassage?«
    Bevor ich zu Bett ging, stellte ich meine Bewerbung um die Position eines Superintendent fertig und steckte sie in einen Briefumschlag. Debbie wollte ihn am nächsten Morgen zur Post bringen. Dann ging ich hinauf, um nach den Kindern zu sehen. Shane hatte sich angewöhnt, auf der Seite zu schlafen und ein Bein um die Stangen seines Kinderbettes zu schlingen. Im Stillen sprach ich ein Dankgebet für ihn und Penny, während Blitze wie Adern über den Himmel zuckten und der erste Donnerschlag die Fensterscheiben erzittern ließ. Dann dachte ich an James Kerr, der im Freien übernachtete, und sprach auch für ihn ein Gebet. Wie sich herausstellen sollte, war er in dieser Nacht jedoch nicht derjenige, der Fürsprache gebrauchen konnte.

8
    Samstag, 5.   Juni
    Am nächsten Morgen waren die Flüsse angeschwollen. Besonders der Finn, der nur wenige Meilen südlich von Lifford zwischen Clady und dem Donegal entlang der Grenze verläuft, strömte ungewöhnlich schnell unter der Brücke hindurch, die den Norden mit dem Süden – Nordirland mit der Republik Irland – verbindet. Der Regen hatte erst kurz vor dem Morgengrauen aufgehört, und die Luft war so rein, dass es beim ersten Atemzug in der Lunge schmerzte. Die Temperatur war niedriger als am Vortag, aber die Sonne stand bereits recht hoch und funkelte auf der Oberfläche des Flusses wie in einem zerbrochenen Spiegel. Der Boden begann bereits wieder zu trocknen, und der Asphaltbelag der Straße dampfte, als die Feuchtigkeit verdunstete.
    Am oberen Ende der Gallows Lane hatte ein Immobilienmakler namens Johnny Patton einer potenziellen Kundin ein Objekt zeigen wollen. Genau genommen war die potenzielle Kundin die Frau seines Chefs, und der einzige Teil des Objekts, den sie sich hatte ansehen wollen, war die Schlafzimmerdecke. Johnny genoss seine postkoitale Zigarette am Fenster des hinteren Schlafzimmers und blickte dabei, noch ganz erschöpft und voller Staunen, hinaus in den Garten, als ihm auffiel, dass da etwas an der Eiche im hinteren Teil des Gartens hing. Eine nähere Betrachtung führte zu einem Anruf bei An Garda und der Entdeckung von Peter Webbs Leiche.
    Die Leiche hing noch immer am Baum, als ich am Tatort ankam. Ein Fotograf der Spurensicherung fotografierte sie aus verschiedenen Blickwinkeln, ehe einer unserer Polizisten eine Leiter brachte, hinaufstieg und das Seil löste.
    Webbs Leiche wurde herabgelassen, und mehrere Polizisten rieben sich gleichzeitig den verkrampften Nacken, da sie die letzte halbe Stunde ununterbrochen nach oben gestarrt hatten.
    Webbs Muskulatur war steif und sein Gesicht verzerrt und starr. Seine Haut hatte sich inzwischen blau verfärbt; die Zunge war geschwollen. Seine weit aufgerissenen Augen wirkten hinter den Brillengläsern wie Murmeln, sie waren

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