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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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nickte, schwieg jedoch.
    »Warum? Würden Sie mich etwa vermissen?«, fragte ich grinsend.
    Sie sah mich an und wog ihre Antwort ab. »Ich habe mich wohl einfach an Sie gewöhnt«, sagte sie schließlich achselzuckend und sah wieder aus dem Fenster.
    Unsere Hoffnung, Webbs Tod möge Selbstmord sein, zerschlug sich rasch. Die Rechtsmedizinerin hatte bald nach der Autopsie ihren Bericht verfasst. Zwar kam sie zu dem Schluss, dass Webb an Sauerstoffmangel gestorben war, warf jedoch Fragen zur Ursache auf. Zunächst stellte sie fest, dass die Male, die das Seil an Webbs Hals hinterlassen hatte, ebenmäßig seien und nicht das aufwiesen, was sie Anzeichen für vitale Reaktionen nannte – eine Entzündung im Umfeld der Verletzungen, wie sie ein lebender Körper, der den Heilprozess in Gang bringen will, verursachen würde. Dies, so folgerte sie, würde darauf hindeuten, dass Webb tot gewesen sei, ehe seine Leiche am Baum hing. Zweitens hatte sie eine Beschädigung des Zungenbeins festgestellt, unterhalb von Webbs Kinn. Es sei in höchstem Maße ungewöhnlich, dass das Zungenbein beim Erhängen breche. Die Beschädigung spreche eher für eine Strangulierung mit den Händen. Schließlich hatte sie noch ermittelt, dass zwei von Webbs Fingern gebrochen seien, und auch hier gebe es kaum Anzeichen vitaler Reaktionen, was ebenfalls darauf hindeute, dass das während der Erhängung oder danach geschehen sei. Die Brüche hätte er sich zwar auch zugezogen haben können, indem er am Seil zerrte, um atmen zu können, doch alles zusammen bestätigte meinen Anfangsverdacht, der mir gekommen war, weil die Leiche noch eine Brille trug. Am Ende des Berichts der Gerichtsmedizinerin stand die Schlussfolgerung, die überwiegende Mehrzahl ihrer Feststellungen spreche dafür, dass Peter Webb ermordet worden sei.
    Ich hatte den Bericht gerade zu Ende gelesen, da kam Williams breit grinsend ins Büro. »Ich glaube, wir haben bei den Bauarbeitern einen Treffer gelandet«, sagte sie.
    Peter McDermott war ein achtundzwanzigjähriger Verputzer, der auf Paddy Hannons Baustelle arbeitete. Als er noch jünger gewesen war und in Cork gelebt hatte, war er mehrfach wegen sexueller Nötigung einer Frau vernommen worden. Seltsamerweise hatte sein Opfer die Anschuldigungen nicht aufrechterhalten.
    Die Adresse, die man uns für ihn gegeben hatte, war in Coolatee. Das war eine fünfminütige Autofahrt.
    McDermott öffnete die Tür in Shorts und ärmellosem T-Shirt. Seine Haut war schweißbedeckt, sein Gesicht gerötet, die feuchten Haare standen ihm ein wenig zu Berge. Er hielt eine halbleere Bierflasche in der Hand und trug weder Schuhe noch Socken. Seine Hände waren dick und schwielig, die Knöchel gerötet. Am linken Unterarm hatte er eine Tätowierung: ein grüner Drachen, dessen weit aufgerissenes Maul am Handgelenk lag, während der Schwanz sich um die Krümmung des Ellbogens wand.
    »Was?«, fragte er knapp.
    »Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten, Mr   McDermott«, sagte Williams, trat auf ihn zu und hielt ihm ihren Dienstausweis vor die Nase. Er rührte sich nicht und blockierte mit seinem massigen Körper die Tür.
    »Worüber?«, fragte er und nahm rasch einen Schluck Bier. Mit dem T-Shirt wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht.
    »Fangen wir mit Nötigung und Körperverletzung an«, sagte ich. »Lassen Sie uns doch hineingehen.«
    »Das lassen wir hübsch bleiben«, entgegnete McDermott. »Und wen soll ich verletzt haben?«
    »Lassen Sie uns hineingehen«, wiederholte ich.
    Schließlich trat McDermott zurück und forderte uns mit der Bierflasche zum Eintreten auf. Williams ging vor, ich folgte.
    Sein Wohnzimmer war karg möbliert. In einer Ecke standen ein Fernseher und ein DVD -Spieler, auf dem Boden davor lagen einige DVD s verstreut. Neben dem Sofa lag ein Stapel Magazine, deren Titelseiten verschiedene Frauen in unterschiedlichen Stadien der Nacktheit zierten. Im Kamin war Asche. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Eisenständer, an dem ein eingebeulter Boxsack hing, und auf dem Boden daneben lagen ein Paar ramponierter Boxhandschuhe und mehrere Hantelpaare.
    »Bisschen in Form gebracht?«, fragte Williams und deutete auf die Handschuhe und den Boxsack.
    McDermott beäugte sie argwöhnisch, ehe er antwortete: »Ich trainiere für einen Kampf nächste Woche.«
    »Boxen?«
    »Kickboxen. Da benutzt man auch seine Füße.«
    »Darauf wären wir ohne Sie jetzt gar nicht gekommen«, warf ich ein. »Trinken Sie beim Training

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