Galgenweg
treffen wollte.«
»Wie ist er gestorben?«, fragte Bardwell und blickte über meine Schulter zu den Männern, die sich gegenseitig aufgebauschte Geschichten über vergangene Fußballtriumphe erzählten und zusammen lachten.
»Er wurde auf dem Grundstück eines leerstehenden Hauses an der Gallows Lane aufgehängt. Sollte nach Selbstmord aussehen. Wir glauben, er wurde erwürgt.«
»Auf dem Töpferacker«, murmelte Bardwell.
»Pardon?«
»Auf dem Töpferacker – wo der Verräter Judas sich aus Reue über sein Verbrechen aufgehängt hat.« Schließlich wandte Bardwell sich um und sah mich an. »Ich denke nur laut. Ich werde Ihnen nicht sagen, wo James ist, aber vielleicht kann ich seine Verbindung zu Webb erklären.«
Dies ist die Geschichte, die er mir erzählte.
Im Anschluss an seine gemeinnützige Arbeit interessierte Kerr sich für Gartenarbeit, weil er merkte, dass dies etwas war, wofür er recht begabt war und womit er Geld verdienen konnte, ohne eine Ausbildung zu benötigen. Er kümmerte sich um die Gärten mehrerer größerer Häuser in Lifford, weil er glaubte, dass wenige Kunden mit großen Gärten ihn besser bezahlen und ihm eine gewisse Exklusivität verleihen würden. Einer der Gärten, um die er sich kümmerte, gehörte Peter und Sinead Webb. Und wenn man Bardwells Geschichte glauben darf, war es Webb, der Kerr dazu ermunterte, an dem Raubüberfall teilzunehmen, der zu seiner Verhaftung führte.
Kerr behauptete, während einer Teepause habe er Mrs Webbs neues Auto bewundert. Webb verwickelte den Jungen daraufhin offenbar in ein längeres Gespräch über Autos und Autofahren, in dem Kerr offen mit seinen Fahrkünsten angab. Als Kerr das nächste Mal zur Arbeit in Webbs Garten erschien, machte Peter Webb ihm einen Vorschlag: Er sagte ihm, er benötige einen Fahrer für einen Auftrag; jemanden, der einen schnellen Wagen über die Nebenstraßen steuern könne. Kerr habe gefragt, um was für einen Auftrag es sich handele, und Webb habe sich an die Nase getippt und gezwinkert. »Sie werden auf Ihre Kosten kommen«, habe er gesagt.
Nach mehreren Monaten dachte Kerr gar nicht mehr an das Gespräch, die Tage wurden kürzer, und in den Gärten gab es für ihn immer weniger zu tun. Da erhielt er eines Tages Ende November einen Anruf von Peter Webb, der ihn bat, sich in einer örtlichen Kneipe mit ihm zu treffen.
An jenem Abend näherte er sich dem McElroy’s mit einem flauen Gefühl im Magen, als ginge er zu einem Bewerbungsgespräch. Webb saß im hinteren Teil der Kneipe und hielt sich an einem heißen Whiskey fest – wegen einer Erkältung, sagte er. Er gab dem Jungen ebenfalls einen Whiskey aus, und Kerr fühlte sich respektiert. Dann erzählte Webb ihm, am kommenden Dienstag benötige man seine Dienste als Fahrer. Er solle auf dem Parkplatz der örtlichen Kapelle einen Wagen abholen und damit zum Picknickgelände am Rande von Ballindrait fahren. Dort werde er drei Männer treffen. Diese solle er auf Nebenstraßen über die Grenze in den Norden fahren. Damals waren die festen Armeekontrollpunkte, die die Straßen über die Grenze behindert hatten, längst alle verschwunden. Zwar führte die Polizei immer noch Stichprobenkontrollen auf den Hauptverkehrsadern durch, doch die Nebenstraßen waren im Allgemeinen frei. Keine Polizeitruppe der Welt kann sämtliche Straßen kontrollieren, und niemand kannte diese Straßen so gut wie Kerr, der die Hälfte seiner Jugend auf Spritztouren in gestohlenen Autos genau dort verbracht hatte.
Sobald sie im Norden seien, solle Kerr die Männer zum Postamt nach Castlederg fahren und dort auf sie warten, ehe sie über Clady und die entsprechende Nebenstraße wieder in den Süden zurückkehren würden. Kerr solle die Männer absetzen, wo sie es wünschten, und dann den Wagen ausbrennen lassen. Für diese Dienste würde er ein frühes Weihnachtsgeschenk in Höhe von eintausend Pfund erhalten.
Dienstag, der 23. Januar 1996, war ein frischer, klarer Wintertag, an dem die Sonne niedrig stand, sodass das Vieh auf den Weiden lange Schatten warf. Kerr ging zu Fuß zur Kapelle, und das Herz klopfte ihm bis zum Halse. Einer seiner Nachbarn fuhr an ihm vorbei und bot an, ihn mitzunehmen, doch er lehnte ab. Was, wenn er ihn fragte, wohin er wollte? Oder auf dem Parkplatz stünde und ihn in ein Auto steigen sähe, das ihm nicht gehörte? Nein, Jamie Kerr war doch nicht dumm. Er winkte den Mann weiter und wandte sein Gesicht den Ligusterhecken am Straßenrand zu, sobald er
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