Galgenweg
Norden, außer Reichweite der Gardai, zu verbrennen.
Er fuhr an den Straßenrand und stellte den Wagen an einer Böschung ab, die bis zum Waldboden drei Meter unter ihnen abfiel. Als er den Zündschlüssel herumgedreht und den Sicherheitsgurt gelöst hatte, waren seine Fahrgäste bereits ausgestiegen. Der eine mit den dunklen Augen war um den Wagen herumgekommen und öffnete ihm die Tür. Lächelnd beugte Kerr sich halb aus dem Auto, doch der Mann erwiderte sein Lächeln nicht. Mit dem Fuß schubste er Kerr zurück in den Wagen, hob die Schrotflinte und ließ eine Patrone einrasten. Dann gab es eine Explosion aus Farben, Geräuschen und Schatten, er spürte Hitze und Brennen. Durch sein eigenes Blut hindurch, das die Windschutzscheibe sprenkelte, glaubte Kerr, einen Schwarm Krähen zu sehen, die sich lautlos in die Lüfte erhoben, ihr Flügelschlag beinahe ein Widerhall der Detonation.
Alles Übrige hatte Costello mir bereits erzählt. In der Gerüchteküche nahm die Geschichte folgendes Ende:
Man entdeckte das Auto in einem Waldgebiet gleich nördlich der Grenze, es war halb die Böschung hinabgerutscht. Drei Mitglieder der Bande waren zu Fuß in den Süden geflohen, wo sie in Sicherheit waren, außerhalb der Zuständigkeit der RUC . Der Vierte – der Fahrer James Kerr – war schwer verletzt mit einer Schusswunde in der Schulter im Wagen zurückgelassen worden. Zunächst vermuteten die RUC -Beamten, die ihn gefunden hatten, er sei bei der Verfolgung der Räuber angeschossen worden. Doch bald erwies sich, dass bei dem Überfall überhaupt keine Schüsse gefallen waren. Die einzig logische, wenn auch verwirrende Schlussfolgerung war die, dass der Junge, Kerr, von seinen eigenen Komplizen angeschossen und im Glauben, er sei tot, zurückgelassen worden war. Man ging davon aus, dass sie dies mit voller Absicht nördlich der Grenze getan hatten, um An Garda aus der Sache herauszuhalten. Die Beziehungen zwischen den beiden Polizeikräften waren bekanntermaßen frostig. Selbst wenn Kerr überlebte und seine Komplizen bei der Vernehmung verpfiff, würde ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach keine Auslieferung in den Norden drohen. Wie sich herausstellte, konnte Kerr keine Namen nennen, entweder aufgrund einer fehlgeleiteten Loyalität oder weil seine Mitstreiter ihm nicht genug vertraut hatten, um ihm zu sagen, wer sie waren. Es sah so aus, als wäre von Anfang an beabsichtigt gewesen, Kerr – tot oder lebendig – die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die RUC bekam ihre Festnahme, sodass man den Fall dort nicht mehr sonderlich engagiert verfolgte. Viele fragten sich, warum die Bande Kerr überhaupt angeheuert hatte; die einzig logische Erklärung schien zu sein, dass er besser als jeder andere schnelle Autos über die Straßen im Grenzgebiet zu steuern wusste.
»Aber das stimmt nicht ganz«, sagte Bardwell, als wir am River Foyle entlangspazierten, auf dessen Oberfläche die stärker werdende Sonne wie Lichtsplitter funkelte. »Als Jamie herausfand, dass man ihn hereingelegt hatte und er den Kopf für die ganze Bande hinhalten sollte, hat er der RUC den Namen Peter Webb laut und deutlich genannt. Aber Webb wurde nie verhaftet, nie vernommen; sein Name wurde in der Verhandlung nicht erwähnt. Es war, als ob die Polizei Jamie nicht glaubte, oder nicht glauben wollte.«
»Hatte er eine Ahnung, wieso?«
»Nein. Außer, dass die Bullen ihn hereingelegt hatten. Aber das scheint ein wenig weit hergeholt; Jamie Kerr war ein kleiner Fisch.«
»Also – könnte es nicht sein, dass er lügt? Dass er versucht, die Schuld jemand anders in die Schuhe zu schieben? Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein, Reverend – und ich habe wirklich versucht, zu glauben, dass James Kerr in dieser Sache ehrlich ist –, Peter Webb ist mir nicht wie ein Mann vorgekommen, der mit Waffengewalt Postämter überfällt.«
»Aber wie ein Mann, der Waffen und Drogen auf seinem Grundstück versteckt, ist er Ihnen und Ihren Kollegen schon vorgekommen? Warum dann kein bewaffneter Raubüberfall?«
Darauf fiel mir keine Antwort ein, und er lächelte, nickte und blinzelte im Sonnenlicht. Ich bot ihm eine Zigarette an. »Wie haben Sie Kerr überhaupt kennengelernt?«
»Ich besuche die Gefängnisse im Rahmen meines religiösen Auftrags. Gott hat es gefallen, zu James zu sprechen – und, wichtiger noch, mich zum Werkzeug seiner Bekehrung zu machen. Ich behalte meine Herde gut im Auge. James hat mit Webbs Tod nichts zu tun.«
»Was macht er denn dann in
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