Galgenweg
viel erwartet, dankte ihm aber für seine Bemühungen. Als ich gerade nach Hause fahren wollte, sandte Helen Gorman mir eine Nachricht und lud mich ein, sich in Vernehmungsraum eins zu ihr und Lorcan Hutton zu gesellen. Hutton hatte wegen Drogendelikten mehrere Jahre im Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug verbracht, dealte aber nach wie vor in der Stadt. Nun, mit Mitte dreißig, hatte er mit Geld, das seine wohlhabenden Eltern – beide Ärzte in Nordirland – ihm gegeben hatten, sein eigenes Drogenimperium aufgebaut.
Gorman kam heraus, um außer Hörweite von Hutton mit mir zu sprechen. Sie hatte eine dünne Aktenmappe mit den Fotos, die ich in Harkins Apotheke gemacht hatte, bei sich. Die Bilder waren so stark vergrößert, dass man den Schuhabdruck deutlich erkennen konnte. Sie sah mich erwartungsvoll an.
»Gut gemacht, Helen«, sagte ich. »Gute Arbeit.«
»Ich habe auch die Kamera zurückgebracht«, berichtete sie. »Wie Sie gesagt haben.«
»Prima.« Ich lächelte ein wenig unsicher.
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie.
»Nun, wenn Sie wollen, könnten Sie in einigen der örtlichen Schuhgeschäfte vorbeischauen und versuchen, ein Gegenstück zu dem Abdruck zu finden. Ehrlich gesagt ist das aber ein ziemlicher Aufwand für einen Einbruch, Helen. Vielleicht führt das auch alles zu nichts. Außer Lorcan Hutton kann uns irgendwas Interessantes beichten.«
»Das ist schon okay«, sagte sie. »Macht mir nichts aus. Es ist mein erster Fall, wissen Sie. Da möchte ich alles richtig machen.«
»Okay, Helen. Wenn Sie Hilfe brauchen, sagen Sie Bescheid«, bot ich ihr an, weil ich sie in ihrem Eifer nicht entmutigen wollte.
Sie lächelte herzlich. »Wollen wir dann sehen, was Hutton zu seiner Rechtfertigung zu sagen hat?«
Hutton saß lässig auf dem Stuhl vor dem vollgekritzelten Tisch, der an der Wand des Vernehmungszimmers stand. Sein blondes, lockiges Haar hing ihm ins Gesicht. Mir fiel auf, dass er ausnahmsweise nicht seinen Anwalt mitgebracht hatte. Außerdem fiel mir auf, dass Gorman die Vernehmung nicht aufzeichnete, vermutlich, weil wir im Grunde nichts gegen ihn in der Hand hatten. Ich beschloss, ihm einen Köder hinzuwerfen.
»Lorcan, schön, Sie zu sehen«, sagte ich und setzte mich ihm gegenüber.
»Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen, Inspector«, erwiderte er und verband dabei das Offizielle und Höfliche der korrekten Anrede mit der Zurschaustellung von Lässigkeit.
»Ich interessiere mich für GBL , Lorcan.«
»Ist das nicht ein bisschen drastisch, Inspector? So wählerisch sind die Frauen von Lifford noch nicht.«
Gorman wirkte empört. Ich zwinkerte ihr zu. Hutton wusste, dass er nur als Informant hier war. Unglücklicherweise bedeutete das, dass wir uns einige höhnische Bemerkungen gefallen lassen mussten, um ihn bei Laune zu halten.
»Ach, kommen Sie erst mal in mein Alter, Lorcan«, witzelte ich, obwohl ich nur wenige Jahre älter als er war. »Wo würden Sie es bekommen, falls Sie es bräuchten? Ich bin natürlich sicher, dass Sie mit so was nicht dealen.«
»Ich deale überhaupt nicht, Inspector. GBL ist außerdem nicht gerade eine Rauschdroge, oder? An Ihrer Stelle würde ich es online versuchen. Im Internet bekommt man alles, wissen Sie. Abgesehen davon finden Sie es natürlich in so ziemlich jedem industriellen Lösungsmittel, das hier auf dem Markt ist.«
»Und hier in der Gegend? Kennen Sie jemanden, der vielleicht damit dealt, es anderen besorgt? Oder wichtiger noch, jemanden, der es vielleicht kaufen würde?«
»Keine Ahnung, Inspector. Woher sollte ich das wissen?«
Wie die meisten Berufsverbrecher glaubte Lorcan Hutton, seine Beziehung zur Polizei sei von gegenseitigem Wohlwollen geprägt. Häufig legten diese Leute dabei eine kumpelhafte Art und eine Jovialität an den Tag, die sie im Umgang mit ihren Opfern bedauerlicherweise vermissen ließen. Hutton benahm sich, als wären seine Aktivitäten eine Quelle des Vergnügens, ein Witz, den alle lustig fanden. Er nahm an, die Tatsache, dass er in unserer Gegend nach wie vor ungehindert seinen Geschäften nachgehen konnte, verdanke sich unserer Toleranz, während es in Wirklichkeit seine Kunden waren, die ein Interesse daran hatten, dass er nicht gefasst wurde, und uns keine Beweise liefern wollten, um ihn hinter Schloss und Riegel zu bringen. Die Zeit für Wohlwollen war vorbei.
»Wir glauben, Lorcan«, begann ich, »dass die Person, die das Mädchen aus Strabane getötet hat, ihr Opfer vorher unter Drogen
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