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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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den Umschlag und fand zu meiner Verwirrung eine Beileidskarte mit einem Bild vom ans Kreuz genagelten Jesus. Meine Verwirrung wuchs noch, als ich die Karte aufschlug und darin unter dem Namen des Verstorbenen eine kleine Pistolenkugel festgeklebt fand. Und der Name des Verstorbenen lautete Benedict Devlin.

13
    Mittwoch, 9.   Juni
    Unsere Experten von der Spurensicherung konnten weder auf der Kugel noch auf der Karte irgendetwas Bemerkenswertes finden. Der Umschlag war in dem Briefkasten vor dem Postamt von Lifford eingeworfen worden, was die Liste der Verdächtigen auf die mehreren tausend Einwohner von Lifford eingrenzte – plus eventuell die gut zwanzigtausend Menschen, die jenseits der Brücke in Strabane lebten, sowie etwaige Durchreisende.
    Costello betrachtete die Karte durch den Beweismittelbeutel aus Plastik hindurch, in dem sie sich befand. Er hatte die Rollos in seinem Büro gegen das grelle Sonnenlicht herabgezogen, jedoch nicht die Fenster geöffnet, sodass die Hitze sich im Raum staute. Ich musste mir immer wieder den Schweiß von der Stirn wischen und fächelte mir mit einem Blatt Papier etwas Luft zu. Costello nahm an, es handele sich um Angstschweiß – vielleicht gar nicht einmal so zu Unrecht.
    »Keine Sorge, Benedict. Wir gehen dem auf den Grund. Wahrscheinlich steckt gar nichts dahinter – nur eine leere Drohung«, fügte er wenig überzeugend hinzu. »Haben Sie irgendeine Ahnung, wer die geschickt haben könnte?«
    »Könnte jeder gewesen sein, Sir. Ich vermute, es hängt irgendwie mit meinen derzeitigen Ermittlungen zusammen.«
    »Irgendwelche Namen?«
    Reichlich, dachte ich bei mir – James Kerr oder Reverend Charles Bardwell, der Katholikenmörder, wie er mir gegenüber zugegeben hatte? Der Special Branch? Mr   Bond hatte schließlich gelacht, als er gesagt hatte, die Botschaft käme offenbar nicht an. War dies die Botschaft, die er gemeint hatte? Und natürlich bestand die Möglichkeit, dass einer meiner Kollegen die Karte geschickt hatte. Ganz zu schweigen vom kürzlich enttarnten Decko O’Kane.
    »Der Brief wurde erst vor ein paar Tagen abgestempelt, Sir. Nachdem Peter Webb tot war.« Dies schien mir Bardwell auszuschließen, den ich da noch gar nicht gekannt hatte, ebenso den Agenten, »Mr   Bond«, mit dem ich mich erst kürzlich beschäftigt hatte. Auch von Mrs   Webbs Affäre hatte ich da noch nichts gewusst, womit Decko O’Kane gleichfalls als Verdächtiger ausschied.
    Damit blieben James Kerr – und Patterson. Der religiöse Hintergrund der Karte schien auf Kerr zu verweisen. Andererseits hatten terroristische Gruppierungen im Norden Leuten jahrelang Kugeln und Beileidskarten geschickt, ohne dass Religion dabei eine Rolle gespielt hätte. Dieses knallharte Gehabe ließ mich vermuten, dass mein Kollege – und Rivale im Beförderungsverfahren – mir diese Karte geschickt hatte, nachdem ich die Redlichkeit seiner Polizeiarbeit in Zweifel gezogen hatte.
    »Nun ja, machen Sie sich deswegen keine Sorgen, Benedict. Ich bin sicher, es ist alles ganz harmlos, nichts als große Töne. Trotzdem, halten Sie die Augen auf, ja?« Er zwinkerte mir väterlich zu, dann umfasste er mit den Händen seinen Bauch und gab sich den Anschein von Gleichgültigkeit. »Haben Sie eine Einladung zum Bewerbungsgespräch bekommen?«, fragte er, ohne mich direkt anzusehen.
    Ich nickte und sah ihm ganz bewusst in die Augen, obwohl ich die Zuversicht, die ich zum Ausdruck bringen wollte, gar nicht verspürte.
    »Ich würde sagen, man wird da auch über diese Funde reden. Und über Webbs Tod. Haben Sie sich überlegt, was Sie dazu sagen wollen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein …« Ich räusperte mich und begann von vorn. »Eigentlich nicht, Sir. Noch nicht.«
    »Ich will Sie nicht beeinflussen, Benedict; Sie kennen sich selbst am besten. Aber ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.« Dann blickte er mir in die Augen, bis ich wegsehen musste.
    »Ehrlich gesagt«, fügte er hinzu und reichte mir die Beileidskarte, »würde ich lieber so eine hier bekommen, als zu diesem Gespräch zu müssen. Das eine ist vielleicht eine Bedrohung – das andere ist womöglich beruflicher Selbstmord, wenn Sie nicht aufpassen.«
    Falls Patterson die Karte geschickt hatte, dann spielte er den Unschuldigen sehr überzeugend. Als ich zurück zu meinem Schreibtisch ging, kamen einige Kollegen zu mir, bekundeten ihr Mitgefühl und boten ihre Unterstützung an, manche trotzig, andere mit einer Mischung aus Mitleid und Angst

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