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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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in der Miene, als wäre ich bereits tot. Patterson sprach nicht mit mir, doch ich beobachtete ihn den restlichen Tag über genau, ich wartete auf irgendein Anzeichen, irgendein kaum merkliches Zucken der Lippen, das meinen Verdacht bestätigen und mir Anlass geben würde, ihn damit zu konfrontieren.
    Kurz bevor ich nach Hause fuhr, ging ich schließlich hinüber zu seinem Schreibtisch. Er las einen Bericht und schien sich meiner Gegenwart nicht bewusst zu sein. Ich beugte mich zu ihm hinunter und lächelte liebenswürdig um der Kollegen willen, die uns beobachteten.
    »Wenn ich herausfinde, dass Sie die Karte geschickt haben, zahle ich Ihnen das heim, wenn Sie am wenigsten damit rechnen.«
    »Und was wollen Sie tun? Mich verpetzen? Auf dem Spielplatz heulen? Werden Sie erwachsen, Devlin«, sagte er, ohne mich auch nur anzusehen.
    Mein Gesicht brannte vor Scham, und ich verlor ein wenig das Gleichgewicht, der Boden unter mir schien in Bewegung zu geraten. Ich hörte ein Geräusch, als hielte ich mir Schneckenmuscheln an die Ohren. Dann wandte Patterson sich um, erwiderte mein Lächeln, und durch das Rauschen des Blutes in den Ohren hindurch vernahm ich seine abschließenden Worte: »Ich würde mich nicht mit einer albernen Karte aufhalten, Devlin. Ich würde Sie einfach umbringen, Sie kleiner Scheißer.«
    Debbies Sorge galt nicht mir – und auch nicht sich selbst –, sondern den Kindern. Sie las die Karte mehrfach, als könnte sie so eine verborgene Botschaft entschlüsseln, eine unausgesprochene Drohung gegen Shane und Penny, die mir entgangen war. Ich legte die Arme um sie und versuchte, sie davon zu überzeugen, dass es die leere Drohung eines verdrossenen Kollegen war, obwohl ich selbst Zweifel daran hegte.
    Sie wand sich aus meiner Umarmung. »Und wenn nicht? Was, wenn dich wirklich jemand töten will? Woher willst du wissen, dass sie dich nicht überfallen, wenn du die Kinder im Auto hast? Das ist das zweite Mal, dass du uns in Gefahr bringst, nur damit du deine Rechtschaffenheit unter Beweis stellen kannst.«
    »Hier geht es nicht um mich, Debs«, sagte ich, obwohl sie recht hatte. Bei einer früheren Ermittlung war ein Mörder in unser Haus eingedrungen und hatte Debbie und die Kinder mit einer Waffe bedroht.
    »Und um wen geht es dann? Um mich? Um die Kinder? Wer meint denn sonst noch, er muss beweisen, dass ein Drogenfund kein Drogenfund ist? Oder ein Selbstmord kein Selbstmord? Warum hältst du dich da nicht einfach raus? Soll jemand anders zur Abwechslung mal alles abkriegen. Du bist nicht der einzige ehrliche Polizist auf der Welt, Ben – hör auf, den Märtyrer zu spielen.«
    »Ich spiele doch nicht den Märtyrer.«
    »Nein – das stimmt. Du bist schlimmer. Du wirst stattdessen noch deine Familie zu Märtyrern machen.«
    Abends, als die Kinder im Bett waren, saß ich mit Frank im Garten, einerseits weil Debbie nicht mit mir redete, andererseits aber auch weil ich mir Sorgen um die Sicherheit meiner Familie machte. Ich dachte über das nach, was Debbie und Hendry und die meisten, mit denen ich in letzter Zeit geredet hatte, über die Bedeutung von Mannschaftsgeist gesagt hatten – und über mein Bedürfnis, recht zu behalten, ohne Rücksicht auf Verluste. Möglicherweise war etwas Wahres dran.
    Und so saß ich nun mit meinem Hund draußen und lauschte und wartete, während das Sonnenlicht im Westen allmählich erlosch und den Himmel in poliertes Gold tauchte, ohne dass sich das Schwere, das sich um mein Herz gelegt hatte, auflösen wollte.
    Um zweiundzwanzig Uhr dreißig hörte ich das Telefon klingeln. Debbie kam an die Gartentür und hielt mir wortlos den Hörer hin.
    »Hier ist Charles Bardwell, Inspector.«
    »Reverend Bardwell«, sagte ich. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich habe mit Jamie gesprochen, Inspector, und in Ihrem Interesse vermittelt. Er sagt, er hat seine Mission fast beendet, und er hat sich bereit erklärt, sich mit Ihnen zu treffen. Morgen.«
    »Warum nicht jetzt gleich?«, fragte ich. Dann merkte ich, wie undankbar das klang.
    »Ich wusste, Sie würden sich freuen«, erwiderte Bardwell sarkastisch.
    »Verzeihen Sie, ich … ich hatte keinen guten Tag, Reverend.«
    »Nun, der morgige wird vielleicht besser«, erwiderte er leutselig. »Heute Abend muss James etwas erledigen, Inspector. Er hat gesagt, er will Sie morgen um zehn Uhr an der Stelle treffen, an der man Peter Webbs Leiche gefunden hat. Ich hatte den Eindruck, er hofft, Sie könnten für ein Frühstück

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