Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
Vom Netzwerk:
ihm die Worte, um seinen Abscheu zum Ausdruck zu bringen. »Was für eine … Bestie tut so etwas?«
    Ich konnte nicht sprechen – und schon gar nichts empfinden. Caroline, die meine emotionale Erstarrung vielleicht spürte, nahm meine Hand, verschränkte ihre Finger mit meinen und drückte sie sanft. Ich lächelte sie an, dann verschwamm mir alles vor Augen, Tränen der Wut und der Trauer stiegen in mir hoch. Williams legte den Arm um mich und drückte mich an sich.
    »Kommen Sie«, flüsterte sie mir ins Ohr, während sie sich wieder von mir löste. »Das ist in Ordnung.« Und dann drückte sie mir einen Kuss auf die Wange, so leicht, dass ich ihn mir auch eingebildet haben könnte.
    »Kommen Sie, mein Sohn«, sagte nun auch Costello, nahm meinen Arm und führte mich zu seinem Auto, das er in der Einfahrt des Hauses geparkt hatte, außer Sicht der Menschenmenge auf der Straße. »Besorgen wir uns was zu trinken.«
    Wir saßen in Costellos Büro, und er goss jedem von uns ein Glas von dem Whiskey ein, den er nur wenige Tage zuvor zur Feier des Waffenfundes gekauft hatte. »Gegen den Schock«, sagte er. Den ersten kippte ich rasch hinunter und trank direkt einen Schluck vom zweiten.
    »Was für ein unglaublicher Schlamassel, Benedict«, sagte Costello, lockerte die Krawatte und lehnte sich zurück. Sein Körper war dem Fenster zugewandt, das in der vergeblichen Hoffnung auf ein wenig frische Luft weit offen stand. Die Rollos hingen reglos da; nicht mal ein leichter Windzug bewegte die sich braun verfärbenden Blätter seiner Grünlilien.
    »Wir werden Unterstützung von außen anfordern müssen. Ich meine – eine Kreuzigung? Hier in Lifford? Nicht zu fassen.«
    »Was ist mit Kerr, Sir?«, fragte ich und stellte mein leeres Glas auf den Schreibtisch.
    »Was soll mit ihm sein? Der Junge tut mir weiß Gott leid, und ich hoffe, er hat nicht gespürt, was sie ihm angetan haben – aber wir haben ihm jede Gelegenheit gegeben, von hier zu verschwinden, Benedict. Er war ein Idiot, aber bei Gott, er hat dafür bezahlt.« Traurig schüttelte er den Kopf und leerte sein Glas, dann schenkte er uns beiden nach.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer das getan hat, Sir. Ich will ganz ehrlich sein – ich weiß nicht, was da vor sich geht.«
    »Ich weiß, Benedict«, sagte er und nickte sachte. »Ich denke, das sehen wir alle. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie ein bisschen in den Hintergrund treten. Ich vermute, dass das NBCI Leute herschicken wird, um diesen Schlamassel aufzuklären, ob wir wollen oder nicht.« Das National Bureau of Criminal Investigation war die zentrale Abteilung für Kriminalermittlungen bei An Garda.
    Ich stand auf, und mir wurde schwindelig. Das ist nur der Whiskey, sagte ich mir. Doch als ich Costello wieder anblickte, hatte ich plötzlich das Gefühl, in einem Vakuum zu stehen. Gleich darauf drehte sich mir der Magen um, in meinem Schädel pochte der Puls so heftig, dass mir sofort Schweiß auf der Stirn stand. Ein heftiger Schmerz schoss durch meine Brust, mein Kinn versteifte sich, und plötzlich glaubte ich, ich könne gerade einen Herzinfarkt haben.
    Costello stand auf und sagte etwas, doch ich konnte keine Verbindung zu ihm aufnehmen, seine Worte waren nicht mehr als Gemurmel. Dann vernahm ich ein Geräusch wie von rauschendem Wasser oder wildem Flügelschlagen, alles schien seine Farben zu verlieren, und ich wusste, wenn ich nicht sofort aus diesem Raum, aus diesem Zimmer hinauskam, würde ich sterben.
    Ich wandte mich ab und stürzte aus dem Zimmer in den zentralen Raum der Station, wo leere Schreibtische auf die Rückkehr der Kollegen warteten, von denen einige in diesem Augenblick bei James Kerrs Leiche Wache hielten.
    Schlagartig war der Raum wieder von Farben erfüllt, als hätte es genügt, mich einfach in Bewegung zu setzen. Mein Herz klopfte immer noch heftig, doch fühlte es sich nicht mehr so beängstigend an. Und ich konnte Costello wieder hören. Er stand hinter mir und hatte mir die Hand auf den Rücken gelegt. »Himmel, Benedict, geht es Ihnen nicht gut? Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
    Ich blickte ihn an, als sähe ich ihn zum ersten Mal, einen leicht hinkenden, alten Mann, der in den Jahren seit dem Tod seiner Frau sichtlich gealtert war.
    »Es geht mir gut. Ich muss nur ein bisschen an die frische Luft.«
    »Klingt wie eine gute altmodische Panikattacke, Ben«, erklärte mir John Mulrooney einige Stunden später in seiner Arztpraxis, nachdem er meinen Blutdruck

Weitere Kostenlose Bücher