Galgenweg
Male, dann putzte sie sich die Nase, zerknüllte das Taschentuch in der Hand und lächelte matt. »Ich sehe bestimmt furchtbar aus«, sagte sie.
»Ganz und gar nicht«, erwiderte ich, denn ich nahm an, das wollte sie jetzt am liebsten hören. »Und Sie fühlen sich bestimmt viel besser, nachdem Sie mir erzählt haben, was passiert ist. Ich kann Ihnen helfen.«
»Ich … ich habe wieder diesen … diesen Mann gesehen. Den, von dem ich Ihnen schon erzählt habe. Er war da draußen.« Sie deutete auf den Bereich um die Apfelbäume. »Ich dachte, er will mir etwas tun, also habe ich Sie angerufen und die Tür abgeschlossen. Nur dass er … er …« Sie deutete erneut auf die Tür.
»Er hat die Scheibe eingeschlagen und ist hereingekommen.«
Sie nickte, allmählich fasste sie sich wieder. »Ich dachte, er würde mich angreifen. Stattdessen hat er gesagt, er wüsste etwas über Peter. Etwas über diese Drogen. Und er hat gesagt, er braucht Geld. Ich … ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich …«
»Sie haben ihm Geld gegeben«, beendete ich ihren Satz.
Sie nickte.
»Wie viel?«
Sie hielt drei Finger hoch. »Dreihundert Euro«, sagte sie. Dann fügte sie hastig hinzu: »Ich weiß, das hätte ich nicht tun dürfen, aber ich wollte ihn loswerden. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte machen sollen.«
»War das alles, was er wollte? Dreihundert Euro?«
»Mehr hatte ich nicht im Haus«, erklärte sie, putzte sich die Nase und richtete sich ein wenig die Haare. Sie wirkte jetzt ruhiger.
»Mrs Webb, es ist sehr wichtig, dass ich genau weiß, was dieser Mann wollte«, erläuterte ich. »Was war das denn, was er angeblich wusste?«
Sie zögerte und reckte im Bemühen um Würde trotz der Umstände das Kinn. »Er hat gesagt, er wüsste, dass Peter ein Drogenhändler sei. Er hat gesagt, das würde er den Zeitungen stecken. Das konnte ich nicht zulassen. Ich mag vielleicht nicht die perfekte Ehefrau gewesen sein, aber mein Mann ist tot, Inspector. Wie soll ich hier leben mit einem solchen Schandfleck?«
Als ich sicher war, dass sie sich wieder gefangen hatte, ging ich hinaus in den Garten, um nach Spuren von Kerr zu suchen, doch ich fand nichts. Es ergab Sinn, dass Kerr versuchte, an Geld zu kommen; ich wusste ja selbst, dass er mittellos war. Allerdings stand seine Beschaffungsmethode ganz und gar nicht im Einklang mit seiner angeblichen Mission in Lifford. Und dass Webb tatsächlich ein Drogenhändler gewesen sein sollte, war mir neu. Entweder war es eine glatte Lüge – oder Peter Webb hatte mehr Geheimnisse zu hüten gehabt, als selbst der Special Branch wusste.
Als ich zur Wache zurückkam, saß Williams hinten vor der Tür und sonnte sich. Sie hatte zwei Holzstühle herausgeholt, sich auf den einen gefläzt und die Füße auf den anderen gelegt. Die Hosenbeine hatte sie bis unters Knie hochgezogen. Sie schob die Sonnenbrille auf den Kopf und hörte sich meinen Bericht über Mrs Webbs Zahlung an Kerr an.
»Meinen Sie, da ist was dran?«, fragte sie.
»Weiß der Himmel. Es kommt mir unwahrscheinlich vor – andererseits aber kam mir Webb bei einem bewaffneten Raubüberfall oder als britischer Spion vor einer Woche auch noch unwahrscheinlich vor. Vielleicht lohnt es sich, dem nachzugehen.«
»Geben Sie mir noch zehn Minuten; ich bin gleich gar.«
»Die Sonne ist Ihnen zu Kopf gestiegen«, sagte ich und zündete mir eine Zigarette an.
»Aber sie hat mir nicht mein Ermittlerhirn weggesengt! Ich habe das Autokennzeichen überprüft. Es gehört einem Mann aus Letterkenny – das wird Ihnen gefallen, Boss –, einem gewissen Mr Declan O’Kane.«
»Decko?«
»Der einzig wahre. Sieht so aus, als hätte des Dozenten Angetraute ein Auswärtsspiel gehabt.«
»Vermutlich eher ein Heimspiel. Sinead Webb und Decko O’Kane – wo zum Teufel haben die sich kennengelernt?«
»Wer weiß? Vielleicht im World Wide Webb«, sagte sie und kicherte in sich hinein.
Ich stöhnte. »Wie lange haben Sie darauf gewartet, den anzubringen?«
»Seit Sie mir davon erzählt haben. Ich musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, verstehen Sie?« Sie zwinkerte mir zu, dann setzte sie sich die Sonnenbrille wieder auf und wandte das Gesicht der Sonne zu.
Angeblich war Declan »Decko« O’Kane Gebrauchtwagenhändler. Er war in Strabane geboren, wo seine erste Karriere aus wiederholten Gefängnisaufenthalten bestanden hatte. Ein Jahr nach einer Bewährungsstrafe wegen schwerer Gewaltandrohung wurde Decko wegen einer Flut
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