Galgenweg
Lächeln.
Miriam Powell und ich waren als Teenager für kurze Zeit ein Paar gewesen, bis sie Thomas Powell kennengelernt hatte – den Mann, den sie später schließlich auch geheiratet hatte.
Unsere Wege hatten sich erneut gekreuzt, als Debbie auf der Universität mit ihr zusammengewohnt hatte. Miriam hatte Debbie immer wieder voller Vergnügen daran erinnert, dass sie mich zuerst gekannt hatte, und später auch auf sexuelle Beziehungen angespielt, die niemals stattgefunden hatten.
Schließlich waren wir uns im vergangenen Jahr erneut begegnet, als ich in dem Fall ermittelt hatte, der sein Ende mit dem Tod ihres Mannes gefunden hatte und letztlich mit ihrem Entschluss, ihm als gewählte Volksvertreterin für das Donegal nachzufolgen. Damals hatten wir kurz miteinander geflirtet, waren knapp an einer Affäre vorbeigeschlittert und hatten uns einmal geküsst (allerdings war zumindest sie betrunken gewesen), wovon Debbie erfahren hatte. Indem ich Miriam Powell letztlich hatte abblitzen lassen, hatte ich mir ungewollt eine einflussreiche Feindin gemacht.
Nun saß sie da und lächelte mich an. Ihr Gesicht wurde von dunkelblondem Haar eingerahmt – vor dem Wahlkampf hatte sie sich eine neue Frisur und eine neue Haarfarbe zugelegt. Die Erinnerung an Miriam Powell war immer mit dem Kokosduft verknüpft gewesen, den ihre Haut zu verströmen schien. Neuerdings trug sie einen anderen Duft.
»Benedict – wie schön, dich zu sehen«, sagte sie, stand auf, beugte sich vor und küsste die Luft neben meinem Gesicht. Sie legte mir kurz die Hände auf die Schultern, um das Gleichgewicht zu wahren, dann trat sie zurück.
»Miriam, schön, dich wiederzusehen. Glückwunsch zur Wahl. Ich bin sicher, du wirst gute Arbeit leisten.«
»Nun ja, irgendjemand musste Thomas ja ersetzen. Jemand, der keine Angst hat, zu sagen, was gesagt werden muss.«
»Ich kann mir niemand Besseren vorstellen, Miriam. Und zwar im besten Sinne«, sagte ich in dem Versuch, aufrichtig zu sein. Und versagte.
Sie lächelte säuerlich. »Ganz recht, Ben. Wie auch immer, ich wollte einmal vorbeischauen und Superintendent Costello vor den Bewerbungsgesprächen um Tipps bitten. Ich bin die zivile Vorsitzende der Kommission.«
»Ich weiß. Es wird schön sein, bei dem Gespräch ein freundliches Gesicht zu sehen, Miriam.«
»Tja, Ben, das Problem ist die Art, wie die letzten Vorkommnisse gehandhabt worden sind. Das sieht nicht gut aus. Ich meine, ein gekreuzigter Mann an einem Baum in Lifford? Das hat den Funden von Inspector Patterson ein bisschen den Glanz genommen.«
Ich nickte und warf Costello einen Seitenblick zu. Er gab den Blick zurück.
»Es liegt nahe, dass die Beförderungskommission dich bitten wird, sie mit Einzelheiten zum Stand der Ermittlungen zu versorgen.«
Ich nickte erneut, dann musste ich mich räuspern, ehe ich ihr antworten konnte. »Ich werde versuchen, so gründlich wie möglich zu sein, Miriam. Aber ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass zum Zeitpunkt des Gesprächs schon jemand anders die Ermittlungen leiten wird.«
»Vielleicht solltest du dein Versagen für die Dauer des Gesprächs für dich behalten, Benedict«, sagte sie. Dann wandte sie sich von mir ab, und ich begriff, dass ich nun den Raum verlassen sollte.
Williams saß in unserem Büro, als ich schließlich mit meinem Kaffee zurückkam. Sie hatte sich Notizen zur Autopsie gemacht und nannte mir nun die wesentlichen Punkte. Nach Meinung der Gerichtsmedizinerin war James Kerr von mindestens zwei Tätern ermordet worden. Im Verlauf der Tat müsse Kerr mindestens einen seiner Angreifer gepackt oder gekratzt haben, denn unter seinen Fingernägeln hatte man Hautspuren gefunden. Wahrscheinlich sei er bewusstlos geschlagen und dann an den Baum genagelt worden; die Knie habe man ihm gebrochen, um das Ersticken zu beschleunigen. Möglicherweise habe er das Bewusstsein wiedererlangt, möglicherweise auch um Hilfe gerufen, doch die Häuser an der Gallows Lane standen so weit auseinander, dass niemand seine Rufe gehört haben würde. Ich zog es vor zu glauben, dass er gestorben war, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Schließlich hatte ihm jemand mit einem Hammer das Brustbein zertrümmert und dabei Lunge und Herz schwer beschädigt. Falls diejenigen, die ihn acht Jahre zuvor vermeintlich tot zurückgelassen hatten, bedauerten, ihn damals nicht getötet zu haben, so hatten sie diesmal dafür gesorgt, dass dieser Fehler sich garantiert nicht wiederholte.
»Es war
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