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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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ausgefransten Ränder einer Narbe erkennen.
    Mein erster Gedanke war, der Mann müsse ein Trauernder sein, der Kerr wie ich die letzte Ehre erweisen wollte. Doch er hatte keine Blumen bei sich. Dann vielleicht ein Journalist. Doch er hatte weder Kamera noch Notizblock dabei. Ich musste an Christy Wards Bemerkung über seinen geheimnisvollen Kunden denken, und da begriff ich.
    »Mr   Bond«, stellte ich fest. »Schön, Sie kennenzulernen.«
    »Gleichfalls, Inspector«, sagte er und lächelte anerkennend. »Ich laufe Ihnen schon den ganzen Tag hinterher. Ich dachte schon, ich kriege Sie nie allein zu fassen.«
    »Das habe ich absichtlich gemacht«, versetzte ich.
    »Das sollten Sie nicht tun«, warnte er mich. »Sie könnten damit Erfolg haben.«
    Ich kam zur Sache. »Hatten Sie etwas mit dem Mord an Peter Webb zu tun?«, fragte ich.
    Er nickte einmal. »Nein«, sagte er. »Im Gegenteil. Wir waren die, die ihm diese Anklage wegen der Waffen vom Hals geschafft haben.«
    »Warum?«
    »Sie müssen nicht alles über Webb wissen, Inspector«, sagte er. »Aber ich will Ihnen so viel erzählen, wie ich kann. Peter Webb war in den 70er-Jahren ein Informant. Ist hierher gezogen, hat das Anti-Engländer-Programm durchgezogen. Hat uns nicht viel genutzt, um ehrlich zu sein. Sein Kontaktmann starb Ende der 90er-Jahre – an einem Herzinfarkt –, und ich habe seinen Job übernommen. Ich hatte beinahe überhaupt nichts mit dem Mann zu tun. Er bekam meine Telefonnummer als Kontakt, für den Fall, dass er etwas hörte oder brauchte. Ehrlich gesagt habe ich ihn erst vor zwei Wochen zum ersten Mal getroffen, nachdem man ihn wegen dieser Waffenfunde festgenommen hatte. Da rief er mich an und bat uns um Hilfe.«
    Ich nickte, schwieg jedoch. Bond fuhr fort: »Er hatte nichts mit diesen Waffen zu tun, wissen Sie.«
    »Das denke ich auch«, sagte ich. Bond legte den Kopf ein wenig schräg, wie ein Vogel, als würde er versuchen, meinen Worten ihre tiefere Bedeutung zu entlocken. »Was ist mit Jamie Kerr?«, wollte ich wissen.
    Bond blickte mich verständnislos an. »Nie von ihm gehört.«
    »Sie haben Webb aber an dem Abend aufgesucht, als er starb, nicht wahr?«, hakte ich nach.
    Er nickte. »Ich wusste nicht mal, wo er wohnte, Herrgott noch mal! Wir haben uns auf einen Drink verabredet. Webb ist diese ganze Waffengeschichte mit mir durchgegangen; das war’s.«
    »Webb wurde im Zusammenhang mit dem Castlederg-Postraub von 1996 als Verdächtiger genannt. Wissen Sie darüber etwas?«
    »Nein.«
    »Ich glaube, dass einer oder mehrere aus dieser Bande sowohl Webb als auch Kerr ermordet haben.«
    Bond deutete auf den Baum vor uns. »Jetzt weiß ich, wer das ist; der Mann, den man gekreuzigt hat.«
    »Webb und Kerr gehörten zu einer Bande. Jetzt sind beide tot, und zwei Bandenmitglieder sind noch übrig.«
    »Wenn Sie wollen, kann ich in den Akten in Strabane nachsehen«, bot Bond beiläufig an – so beiläufig, dass ich die Falle erst erkannte, nachdem ich hineingetappt war.
    »Sinnlos; die wichtigen Dinge fehlen«, sagte ich verbittert.
    »Und woher wollen Sie das wissen, Inspector?«, fragte Bond. Ich ahnte, dass ich den Mann unterschätzt hatte.
    Und ignorierte die Frage. »Warum ist aus den Akten etwas entfernt worden?«
    Der Mann ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Um unsere Informanten zu schützen, würde ich sagen. Also, wer hat Ihnen unsere Akten gezeigt?«
    Eine Weile schwiegen wir beide. Ich sprach ein letztes Gebet für Jamie Kerr, wandte mich um und ging. »Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mr   Bond«, sagte ich und streckte ihm die Hand hin.
    »Gleichfalls«, erwiderte er. »Ich habe Ihnen so viel gesagt, wie ich kann. Webb hatte nichts mit den Waffen da zu tun. Und ich kann Ihnen nichts über den Castlederg-Postraub sagen.«
    »War er in eine so ernste Sache verwickelt, dass jemand ihn deswegen ermordet haben könnte?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Bond. »Ich glaube, in seinen ganzen dreißig Jahren hier ist ihm nicht ein einziger großer Treffer gelungen.«
    »Also kein toller Spion, was?«, meinte ich.
    »Der war bei gar nichts toll«, stimmte Bond zu. »Das einzig Interessante, was er mir an dem Abend, an dem er gestorben ist, erzählt hat, war, dass jemand seine Alte bumst.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »So weit sind wir auch schon.«
    Bond zuckte hilflos die Achseln, dann betrachtete er die Blumen, die ich am Fuß des Baumes abgelegt hatte. Ich wandte mich endgültig ab und ging, die Hände in den

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