Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
Vom Netzwerk:
Verlauf der Regentropfen beobachtet hatte.
    „Wie hatte sich seitdem ihr Leben verändert? Hatte es sich verändert?“
    Plötzlich erschrak sie. Neben ihr stand ein großer Mann in einem wallenden, roten Umhang. Kardinal Giancarlo de' Medici hatte sich, von ihr unbemerkt, zu ihr gesellt.
    Giancarlo blickte ebenfalls aus dem Fenster, in das dunkle Grün der Bäume.
    "Gräfin Picchena", begann er, "dort hinten, unter den Platanen, habt ihr einen wertvollen A u genblick eures Lebens verpasst ."
    Sie schaute ihn verachtend an.
    "Mir ist nicht bewusst , dass ich dort einen großen Augenblick in meinem Leben verpasst hätte. Mir ist nur bewusst , dass ich dort einmal einen großen Moment eines Verrates erlebt habe. Dort musste ich die Erfahrung machen, dass Menschen in ihrer Not käuflich sind. Ich habe aber auch die Erfahrung machen müssen, dass Menschen glauben, sie könnten unbegrenzt über andere Menschen verfügen.“
    Sie schaute, aufrecht stehend, dem Kardinal ins Gesicht. An Körpergröße war sie ihm ebenbü r tig.
    "Eminenz, ihr habt mich sehr erschreckt. Ich denke, seine Durchlauchtigste Hoheit, Großhe r zog Ferdinand II., hat mich hierher laden lassen. Ich wäre euch zutiefst verbunden, wenn ich eine Audienz bei dem Granduca erhalten könnte. Ich bitte euch, verwendet euch dafür."
    In einer unkontrollierten Anwandlung hielt ihr der Kardinal ein Schriftstück unter die Nase.
    „Hier, das ist alles, was der Großherzog euch zu sagen hat“, fauchte er zynisch.
    Sie las das Blatt mit dem Siegel und der Unterschrift des Großherzogs:
     
    „ Wir, Ferdinand II., von Gottes Gnaden Großherzog der Toskana, befehlen den ersten Off i zier meiner treuen und ehrenwerten Garde, sich in einer Kutsche in Begleitung von zwei Ga r disten nach Picchena zu begeben und die Festnahme der Caterina Picchena, verwitwete Buo n delmonti, durchzuführen, diese nach Volterra zu schaffen und sie dem Herrn Kapitän der nä m lichen Festung, Signore Paolo Vincenzo Ruggerotti, zu Inhaftierung in den Maschio mit uns e rer Einwilligung, so lange es uns beliebt, zu übergeben.......“
     
    Die regnerische Welt dort draußen begann, sich zu drehen. Der Boden unter ihren Füßen schwankte wie auf einem sturmumtosten Schiff. Die Markgräfin Picchena hielt sich verzweifelt mit einer Hand an der Marmorfensterbank fest. Die Luft blieb ihr weg, ihre Knie zitterten. Das Blut wich aus ihrem Kopf. Sie hatte noch kein Wort gesprochen, als der Kardinal fortfuhr.
    „Euch bleibt es überlassen, Markgräfin Picchena, ob wir dieses Urteil vernichten, oder ob di e ses Urteil euch vernichtet.“
    Die Unterlippe des Bruders des Granduca vibrierte leicht. Er bewegte sich einen Schritt auf sein Opfer zu.
    „Seid endlich vernünftig, Caterina“, atmete er schwer und strich mit seinen Fingern über die langen blonden Haare.
    Sie wandte sich fassungslos erneut dem Schriftstück zu.
    Die Buchstaben begannen zu wandern, sie formierten sich zu winzigen Gebilden, die sich bald vergrößerten und klare Gesichtszüge annahmen. Das freundliche Gesicht ihres Vaters erkannte sie, die verwirrten Züge ihrer Amme Nanini, die gierigen Lefzen eines teuflischen Abtes, die Überheblichkeit der despotisch bigotten Regentin, das feiste Antlitz des Pfarrers dell’Impruneta, die verweichlichten Züge eines machtlosen Großherzogs, die blank geputzten Knöpfe auf der Uniform des Frains d’Aix, das hässliche , gierige Gesicht ihre s Gegenübers. Mi t ten in den verwirbelten Figuren ihrer bekannten Welt erblickte sie vorausahnend die elende, kranke Gestalt einer kleinen, alten Frau in ihrem Kerker.
    Die Kräfte verließen sie. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich schwach und von allen Menschen verlassen. Eine unermessliche Kälte überfiel ihren Körper. Ein unerträglicher Druck presste ihre Brust zusammen. Sie drohte zu ersticken. Noch einmal blickte sie durch die Fe n sterbögen über den Arno. Mit letzter Kraftanstrengung blies sie die letzte Luft aus ihrer Brust und atmete erneut tief ein. Sie wandte sich dem Kardinal zu, der mit einem herablassenden L ä cheln ihre Zustimmung erwartete .
    Caterina streckte beide Hände gegen ihn aus.
    „Höret Eminenz, Kirchenfürst, Kardinal und Prinz der Medici, nicht mit mir. Niemals werde ich euch mit meinem Körper dienlich sein. Meine Seele ist ohnehin weit über euch hinweg.“
    Zornig und außer sich vor grenzenloser Wut, ließ sich Giancarlo auf den A u dienzthron fallen. Mit zitternden Händen spuckte er seinen

Weitere Kostenlose Bücher