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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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kleines Mädchen, gescheit im Denken und im Reden. Ein junges Mädchen, das nach Wahrheit, Recht und Aufrichtigkeit strebte. Was nur hatte dieser Unhold aus ihrem fröhlichen Wesen gemacht? Er widmete sich wieder ihren Zeilen .
     
    „Dieser Mensch hat sich an mir vergangen. Mit der Täuschung der Kutte eines Kirchenherren, unter dem Vorwand eines ehrenwerten Tuns, ja ich habe das traurige Gefühl, sogar mit der vorgetäuschten Billigung der Kirche ist dieser Teufel in meine Kammer eingedrungen und hat die Bedürfnisse seines Körpers an mir befriedigt. Auch wenn ich davon ausgehen muss , dass Pandolfini seinem Abt nur Lügen erzählt hat, wie kann dieses Ungeheuer, die erlogene G e schichte für seine persönlichen Wünsche so ausnutzen?
    Dieser breite, fette Kerl hat mich wie ein Stück Vieh genommen. Ich habe versucht, mich zu wehren, mich zu entwinden. Ein Eber aus den Wäldern meines Vaters geht liebevoller mit se i ner Sau um. Piero ist ein Ungeheuer, ein Monstrum in der Kutte eines Mönches. Hätte er sich doch des Nachts zu einer der Puttanen im Katzenviertel getrollt. Warum hat er sich nicht bei einem Besuch bei den Karmeliterinnen sein Vergnügen geholt? Die hätten ihn mit offenen A r men empfangen. Was ist in diesen Teufel gefahren, dass er mich wie ein Raubtier überfällt, me i ne Gefühle der Unversehrtheit, des Unversehrtseins in den Schmutz der florentinischen Kloake stößt wie Hundekot?
    Welchen Wert hat ein Mädchen, eine Frau? Wie steht es mit ihrer Unverletzbarkeit? Ich gest e he, ich habe bei all den vielen Geschichten, die ich in der Bibliothek meines Vaters studieren konnte, die Geschehnisse bald nur noch vor dem geschichtlichen Hintergrund gesehen. Den buchstäblichen Verkauf von Frauen an Familien mit gleichzeitiger hoher Mitgift, die Abschi e bung von Frauen in die hinterlegensten Gemächer der Palazzi oder entfernt liegende Villen, eiskalten Mord an Ehefrauen, Verbannung außer Landes und lebenslängliche Haft in den schlimmsten Verliesen und Kerkern. Das sind oft die Schicksale der Frauen, die wie ein Stück Vieh von einem Bauern an den anderen verschachert werden. Das einzelne Schicksal, die menschliche Not, die hinter jeder dieser Geschichten steht, bleibt den meisten Menschen ve r borgen.
    Mit welchem Recht stürzte sich diese Masse Fleisch auf mich, verletzt nicht nur meinen Kö r per, zerstört vielmehr meine Achtung vor den Menschen, zerstört einen einst gehegten glückl i chen Traum von mir, dereinst friedlich und in Verständnis untereinander mit einem geliebten Mann mein Leben zu verbringen?
     
    Gebeugter und bedächtiger als zuvor nahm Galilei seine Wanderung zwischen den altehrwürd i gen Bäumen wieder auf. Den Brief der Markgräfin hielt er fest in seinen auf dem Rücken ve r schränkten Händen .
    „Was weiß ich schon von den Menschen?“ nahm er den Dialog mit sich selbst wieder auf. Der große, alte Forscher war erschüttert über die brutale Vergewaltigung seiner geliebten Freundin. In einer ersten jähzornigen Anwandlung hätte er dem Piero am liebsten ein Messer zwischen die Rippen gejagt. Mehr sinnvolles wusste auch er nicht zu sagen, geschweige denn zu tun. Was ist das menschliche Verhalten? Es ist für ihn leichter, den Umlauf eines Planeten zu berechnen, als zu ergründen, was menschliche Verhaltensweisen sind, geschweige denn, vorherzusagen, wie sich ein Mensch verhalten wird. Viel zu viel hatte er in seinem Leben selbst erfahren mü s sen, dass Menschen uneinsichtig und unverständlich sind. Viel zu viele der Grausamkeiten hatte er erleben müssen. Die Geschichten erzählten weniger von dem großen Glück der Menschen, als von ihrem Unglück und ihrer Niedertracht. Aus seiner Erfahrung heraus war das, was man landläufig ‘menschliches Verhalten’ nennt, Unterdrückung und Quälerei, Verleumdung und üble Nachrede, Selbstsucht, Lug und Trug. Wie man dem aber begegnen sollte, wie man das menschliche Verhalten verbessern könnte, das entzog sich seinem Fernrohr und seinen math e matischen Berechnungen. Es entzog sich sogar seinen logischen Überlegungen.
    „Welch ein Glück für mich, Caterina Picchena, dass ihr nicht zugegen seid. Ich wüsste euch in eurem Leid keine Antwort und keine Erklärung zu geben.“ Diese Worte leise murmelnd las er in den Zeilen weiter.
    Als hätte sie seine Gedanken vorab erraten, brachte Caterina ihren Brief zu Ende.
    „Treuer Freund meines Vaters, darf ich auch sagen, mein treuer Freund? Verehrter Messer Galilei. Ihr mögt

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