Galileis Freundin (German Edition)
gotte s fürchtig dieses arme Frauenzimmer stets gewesen sei. Jetzt habt ihr sie noch zu einer Lüge verführt. Die beiden geistlichen Herren, denke ich, können diese Sprache bestätigen."
Curzio schaute sich um, um erneut das lächerliche und doch so tödliche Nicken der beiden Pfaffen zu erkennen.
"Großherzogin, im Namen des Rechtes des Staates Toskana, bitte ich euch um Einsicht. Das ist keine faire Verhandlung. Lasst Caterina, den Arzt Ottavio Brenzoni, lasst Galileo Galilei und lasst sogar die Amme Nanini von der Tat berichten, um euch ein Urteil bilden zu können."
"Senator, Landgraf Curzio Picchena, in Anerkennung eurer Verdienste um den Staat Toskana und das Herrscherhaus der Medici, werde ich eure bösartigen Anschuldigungen nicht weiter verfolgen", sprach die Großherzogin mit kühler Stimme, "ihr seid entlassen."
„Großherzogin, so leiht mir noch einmal euer Ohr. Der allseits anerkannte Arzt, Ottavio Bre n zoni hat direkt nach der Tat den Abt als auch meine Tochter untersucht. Er bestätigt, dass die Verletzungen meiner Tochter durch einen brutalen Angriff und die körperliche Kraft eines Vergewaltigers entstanden sind. Die Verletzungen des Abtes aber durch die Abwehr meiner Tochter geschehen sind.“
„Curzio Picchena“, die Großherzogin war wütend geworden, „der Arzt Brenzoni scheint ja ein allwissender Mediziner zu sein. Ich weiß aber, dass er euer Freund dazu ist.“
Ihre Stimme war scharf geworden. Sie blickte den Senator mit zusammengekniffenen Augen an.
„Curzio Picchena, ein letztes Mal, ihr seid entlassen.“
Mit zorniger Bewegung ihres rechten Armes wies ihm die Großherzogin die Tür.
Der Staatssekretär erstarrte vor Entsetzen. Diese Behandlung war ihm noch niemals widerfa h ren. Das war nicht nur eine Beleidigung seiner Tochter. Das war die Beleidigung seiner Arbeit als Politiker. In dieser Sekunde gedachte er mit Hochachtung an sein stolzes Herrscherg e schlecht aus der Burg Picchena und mit Abscheu an die immer währende Arroganz der Medici.
„Verrottete Krämerseelen, verkommenes, nutzloses Pack“, waren seine letzten Gedanken.
Er verneigte sich, tief enttäuscht, verließ das Audienzzimmer in aufrechter Haltung und schritt verächtlich an den beiden Pfaffen vorbei. Beim Hinausgang in den Liliensaal warf er einen Blick auf die Inschrift in dem mit Justitia geschmückten steinernen Torbogen. „Diligte just i tiam qui iudicatis terram“ (Achtet die Gerechtigkeit hoch, Ihr, die Ihr über die Welt richtet).
„Heuchlerische Pharisäerin“, erzürnte er sich in Gedanken als er unter dem Marmorfries des Tores hindurch schritt. Die Arroganz der Vorurteile feierte Triumphe.
Seine Enttäuschung beugte sein Haupt. Das Unrecht an seiner Tochter war leidvoll genug g e wesen, die Unfähigkeit ihres Vaters, sie in einer schweren Stunde beschützen zu können und seine Bedeutungslosigkeit, trotz seiner Verdienste um Florenz im Angesicht der Lügen einer verschworenen Klicke, müsste ihr das Vertrauen in Gesetze, Recht und Moral nehmen. G e schlagen begab er sich zurück zu seiner Tochter.
Als sie sein enttäuschtes Gesicht und seine eingefallenen Wangen bemerkte, lächelte sie.
„Vater, lass es gut sein. Nicht Cristina di Lorena wird mein Leben bestimmen. Ich werde me i nen eigenen Weg finden. Ich achte deinen Versuch, mir selbst bei der Großherzogin Gehör zu verschaffen. Ich danke dir.“
Nun war es an Curzio, Trost bei seiner Tochter zu suchen. Er umarmte sie und musste an sich halten, um nicht in Tränen auszubrechen.
Der Ehevertrag
Vom Ufer des Arno schaute das geschändete Mädchen singenden Gondelfahrern und schim p fenden Steuerleuten der kleinen Lastkähne zu. Der rege Fährbetrieb auf dem Fluss stand dem Kutschen-, Reiter-und Sänftenverkehr auf den Straßen in nichts nach. Unter dem Ponte Ve c chio bedrohten hinuntergeworfene Fleischstücke und vielerlei anderer Unrat die Schiffer und ihr e Passagiere. Es war durch einen Erlass des Granduca längst verboten, Abfälle über den Brückenrand in das Flusswasser zu werfen. Für den Metzger auf der Ponte Vecchio schien das eine der vielen Verordnungen gewesen zu sein, die ohne Wirkung bleiben sollte. Es war auch grundsätzlich verboten, eine Metzgerei auf der Brücke zu betreiben. Wen störte es? Der Ponte Vecchio mit seinen vielen kleinen Geschäften zu beiden Seiten galt als ein Herzstück des florentinischen Kleingeschäftes. Kein Besucher der Stadt, kein Reisender verließ Florenz ohne sich auf dem
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