Galileis Freundin (German Edition)
Stiefel an.
"Da, hört ihr es", rief die Frau aus dem Publikum erneut, "sie stellt die Armen und Kranken als Betrüger dar. Sie verwünscht gläubige und rechtschaffene Bürger."
"Glaubt ihr nicht, dieser Verleumderin", warf der mutige Mann ein, "sie ist nur eine arme ve r lassene Frau, die viel Unglück in ihrem Leben erfahren hat."
"Viel Unglück stimmt", warf die erste wieder ein. "Unglück hat sie über andere gebracht. Sie ist eine gefährliche Hexe. Sie ist gefährlich für uns alle." Dabei bekreuzigte sie sich. "Wenn ihr Gottes Widersacher frei herumlaufen lasst , kommt die Strafe über uns alle. Der Herr segne uns."
Die Umstehenden murmelten Zustimmung. Die Abneigung, ja die Angst, stand ihnen ins G e sicht geschrieben. Sie wollten jetzt Klarheit.
"Wenn ihr sie nicht mitnehmt und den Fratres des heiligen Dominikus überstellt", wandte sich ein dritter an den Soldaten, "werden wir euch mit anzeigen."
"Hüte deine Zunge", wandte sich der Soldat drohend an den Mann, "sonst kommst du noch gerade mit uns."
"Seht ihr es?" rief das giftige Weib, "jetzt beschuldigt er unschuldige Christenmenschen, die Hexe aber will er frei herumlaufen lassen."
Die Bürger nahmen eine drohende Haltung gegenüber den Soldaten ein.
"Wenn ihr uns, gläubige Christenmenschen, nicht vor der Hexe beschützen könnt, dann müssen wir uns selber helfen", warf einer ein, spuckte vor dem Soldaten aus und traktierte die Nanini mit seinen Stiefeln.
"Halt“, brüllte der Soldat zornig, dann drängte er die Umstehenden beiseite, griff der Nanini kurz entschlossen unter den Arm und führte sie fort, während der andere Soldat sein Pferd hinterher führte.
Die Umstehenden schauten sich siegessicher an.
"So weit ist es schon gekommen, dass wir uns selbst beschützen müssen, weil die Soldaten li e ber eine Teuflin verteidigen als die guten Gläubigen."
Der junge Mann, der die Nanini zu Beginn verteidigt hatte, stand noch immer mit funkelnden Augen in der Menge. Er reckte seine Faust in die Höhe und schimpfte zornig.
"Abergläubisches Pack. Wer sagt euch, dass ihr auch nur einen Skudi besser seid als diese arme, verwirrte Frau. Ihr meint, weil ihr den Namen Jesu führt und die Worte "gutgläubig" und "fromm" so freigebig verteilt, seid ihr schon die Besseren in dieser Stadt."
"Ist er nicht der Sohn des Schmiedes aus Castel San Gimignano?" fragte eine geifernde Stimme hektisch.
"Ja, richtig“, warf eine andere ein. „Ihr seid doch der Älteste des Hexers aus dieser Stadt. War dein Vater nicht schon in der Folter? Ist er nicht als Ketzer enthauptet worden?"
"Ihr solltet euch mehr um euer eigenes Seelenheil kümmern. Geht an eure Herde oder in eure Ställe, oder macht euch mit euren Mägden zu schaffen", der junge Mann nahm seinerseits eine bedrohliche Haltung ein und machte einige Schritte auf die größer werdende Menge zu. Schreiend stieben sie auseinander und fühlten sich in ihrer Angst bestätigt, auch dieser könnte ein Teufel sein.
Der Sohn des Schmiedes aus Castel San Gimignano wandte sich angewidert ab, verschwand in einer kleinen Gasse, suchte bald darauf sein Pferd und ritt wutentbrannt den Weg nach Castel zurück, dieweil er dachte: 'Mit solch einer kleingläubigen Masse von Menschen könnte man jedwede Stimmung erzeugen, ob berechtigt oder unberechtigt, sie musste nur mit viel Gefühlen, mit viel Angst und viel Aberglauben vorgetragen werden.'
Die Nanini stand bald im Verhör. Der Inquisitor aus San Gimignano persönlich, Vincenzo Maculano, nahm sich ihrer an. Das Verhör gestaltete sich äußerst schwierig. Auf keine seiner Fragen erhielt er die Antwort, die in sein Konzept passte . Mit schwankendem Oberkörper und geschlossenen Augen murmelte die Alte unverständliche Worte, ein Sammelsurium von Begri f fen wie Benandanti und Streghoni, von Beschwörungsformeln und Beschuldigungen. Selbst nach mehrmaliger Folter erhielt der Wahrer des echten Glaubens keine brauchbaren Antwo r ten. Letztendlich erkannte er in dem störrischen Weib eine Häretikerin und Hexe.
Das Urteil lautete: “Einsperren im zweibeinigen Käfig, der am ‘Torre grossa’, dem großen Turm, an der Piazza del Duomo aufgehängt wird, als Warnung an ihre Hexenschwestern.“
Unter der glotzenden Anteilnahme der Gaffer wurde die gefolterte Nanini ein paar Tage später lebend und nackt in ein Gestell aus Metallbändern gezwängt. Die Beine waren gespreizt. Sie konnte weder Arme noch Beine, noch ihren Kopf bewegen. Der Käfig war eng wie ein Anzug.
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